Wie einst Landeskarten entstanden, darüber haben wir hier bereits einmal berichtet. Nun hat Christoph Eidenbenz zusammen mit Sigi Heggli und Erich Gubler diese zwei Comet-Reportagen (Com_LC0374 und Com_L20-0307) überarbeitet. Schritt für Schritt erklärt uns Christoph Eidenbenz, wie man früher die Landeskarten bei der Eidgenössischen Landestopographie in Wabern bei Bern herstellte. Dazu befragte er mehrere ehemalige Mitarbeiter und Fachexperten. Mit diesen neuen Hintergrundinformationen ist jetzt ein spannender Bildroman über ein ausgestorbenes Hochpräzisions-Handwerk entstanden. Lesen Sie selbst!
Die Herstellung von Luftaufnahmen
Startbereit zum Aufnahmeflug
Rechts sitzt der Navigator am Navigationsfernrohr mit der Karte, auf der die Fluglinien eingezeichnet sind. Über Funk gibt er dem Piloten entsprechende Weisungen, dass die Linien genau angeflogen und verfolgt werden. Links sitzt der Kameraoperateur, der im Kamera-Sichtfenster mit einer optischen Steuerung und der vorgewählten Bildüberlappung (60 bis 90 %) die automatische Auslösung der Bilder regelt. So entstehen Aufnahmeserien, die paarweise stereoskopisch, d. h. 3D betrachtet werden können.
Flughöhe
Der Massstab der Luftaufnahmen wurde bei Nachführungsflügen dem Kartenmassstab 1:25‘000 angepasst. Das ergibt bei einer Brennweite der Kamera von 153 mm eine mittlere Flughöhe von 3800 m über Grund. In einem Flugzeug ohne Druckkabine mussten in Höhen über 3000 m ü. M. Sauerstoffmasken getragen werden. Keine Erleichterung der Aufgabe! Dazu das Titelbild: vorne rechts der Pilot, daneben der Mechaniker.
Kamera und Navigationsfernrohr
Links ist die drehbar auf einer Platte gelagerte Kamera WILD RC8 sichtbar. Die Aufnahmen werden durch eine Öffnung im Flugzeugboden gemacht. Verwendet wurden schwarz/weisse Fliegerfilme von 23 cm Breite und bis zu 100 m Länge. Links oben befindet sich die Steuerungseinheit. Rechts ist das Navigationsfernrohr installiert. Es öffnet einen Blick senkrecht nach unten und erlaubt die Fluglinie anhand von auf der Karte eingezeichneten Elemente (Häuser, Strassenkreuzungen, Waldecken usw.) zu verfolgen und zu kontrollieren.
Aufnahmen entlang der Fluglinie
Im Mittelland/Jura wurden die Fluglinien in Ost-West-Richtung aufgenommen. In der Regel kann man so ein Kartenblatt 1:25‘000 mit drei parallelen Linien zu je 17,5 km abdecken. In den Alpen mussten die Linien oft auch in die Talachsen gelegt werden. Um eine gute Bildschärfe zu erhalten wählte man eine möglichst kleine Fluggeschwindigkeit.
Filmentwicklung und Photogrammetrie
Fliegerfilm-Entwicklungsmaschine
Das „Caroussel“ wurde in der Landestopographie entwickelt und von einer Firma in Bern hergestellt. Es besteht aus dem, an einem drehbaren Galgen aufgehängten Motor, der zwei daran fixierte Filmspulen hin und her spult. Das darunter liegende runde Becken enthält sechs Wannen, die mit den benötigten Entwicklungschemikalien gefüllt werden können. Der Film wird entsprechend der vorgeschriebenen Entwicklungszeiten von Wanne zu Wanne geführt.
Fliegerfilm-Entwicklung
Erste Prüfung nach der Entwicklung eines Schwarzweiss-Filmes.
Nachführung der Landeskarten
Die systematische Nachführung der Landeskarten begann 1968. Im Bild schaut der Topograph durch die Lupe auf einen „Feldkarton“, d. h. einer auf Karton aufgezogenen, in acht Stücke zerschnittenen Karte. Im Büro vergleicht er sie mit den aktuellen Luftaufnahmen und markiert neue Elemente und Änderungen mit Farbstiften auf dem Karton. Anschliessend folgt eine Feldbegehung zur Kontrolle und Ergänzung.
Nach der Arbeit des Topographen folgt die photogrammetrische Auswertung der Veränderungen (hier auf einem WILD A8 Gerät) gemäss dem Feldkarton des Topographen. Zwei überlappende Luftbilder werden stereoskopisch betrachtet und die neuen Elemente mit einer eingespiegelten 3D-Messmarke abgefahren. Der Grundriss wird dabei auf dem Zeichentisch aufgetragen und wird anschliessend auf die Gravurplatte kopiert. In den Karten dargestellten Höhen werden an einer Skala abgelesen und dazugeschrieben.
Photogrammetrische Auswertung
Der geometrische Grundriss der neuen Karten-Elemente entsteht auf dem Zeichentisch.
Reproduktions-Arbeiten
Vom Kupferstich zur Glasgravur
Für die neue Landeskarte musste 1953 der Kupferstich durch Glasgravur ersetzt werden. Eine 1:25‘000er-Karte (acht Farben) benötigt acht Alu-Druckplatten. Für das Situationsbild (schwarz) wurde auf einer Spiegelglasplatte zuerst eine Photoschicht aufgetragen und darauf das topographische Strichbild aufkopiert (Strassen, Häuser usw.). In einem Beschichtungsrotor wurde dann die rote Gravurschicht aufgegossen. In dieses Schichtenpaket gravierte der Kartograph das Situationsbild gemäss der Kartensignatur. Das Resultat wurde anschliessend auf die Druckplatte kopiert.
Die Anzahl Reproschritte pro Kartenblatt beliefen sich total auf ca. 70 Arbeitsgänge. Dabei war die Genauigkeit der Belichtung (Strichdicke) und der Einpassung ausschlaggebend und verlangte grosses Fingerspitzengefühl. Die Belichtungszeiten waren wesentlich länger als diejenigen der normalen Photographie.
Genaues Einpassen der verschiedenen Farbebenen und Masken erfolgte mit dem Mikroskop. Ganz feine Verschiebungen der Platten wurden durch Klopfen mit einem Gummihammer erreicht.
Als Grundlage für die Landeskarte dienten im Mittelland/Jura die Übersichtspläne der Grundbuchvermessung im Massstab 1:10‘000 und 1:5‘000, welche von privaten Geometern erstellt und von der Landestopographie verifiziert wurden. Diese, nach Gemeindeflächen erstellten Pläne mussten zuerst auf einer Aluminiumplatte genau zusammengesetzt und anschliessend mit einer speziellen Repro-Kamera auf den Massstab 1:25‘000 verkleinert werden.
Einstellung der Optik der für die Reduktion oder Vergrösserung von Kartenunterlagen verwendeten Kamera. Sie wurde in drei Exemplaren speziell von der Firma von Haag-Streit in Bern hergestellt. Zwei davon kamen bei der Landestopographie zum Einsatz.
Gravur der verschiedenen Farbebenen
Vom Kupferstichel zum Gravurring
Die ca. 30 Kupferstecher der Landestopographie sassen 1953 plötzlich nicht mehr vor Kupferplatten, sondern vor beschichteten Glasplatten mit dem Befehl die neue Landeskarte zu gravieren. Ihr altes Werkzeug war wertlos. Man suchte nach neuen Möglichkeiten und entwickelte nach anfänglichen Versuche mit Grammophonnadeln usw. zusammen mit der Firma Haag-Streit einen Gravurring in den verschiedenste Stichel eingesetzt werden können. Einzig die Felsen und die Gletscherschrunden wurden mit einem einfachen, zugeschliffenen Dreikantstichel von Spezialisten graviert.
Für den Gravurring wurde entsprechend der Signatur-Norm eine ganze Reihe von Stichel entwickelt. Neben den verschiedenen Linienbreiten gab es auch Stichel, die Doppellinien gravierten. Gestrichelte Linien mussten allerdings mit der Retouchefeder von Hand unterbrochen werden.
Nachführungsgravur
Die grüne Schicht wurde von der Landestopographie für die Nachführung entwickelt. Sie erlaubte eine Ätzgravur der alten Situation, die auf dem Bild in einem leichten Grau abgebildet ist. Die neu gavierten Nachführungselemente erscheinen in Weiss. Die alte und neue Situation können so addiert und zusammen weiter verwendet werden.
Reliefschattierung
Die Reliefschattierung wurde bei der neuen Landeskarte neu eingeführt. Auf der Siegfriedkarte war sie noch nicht vorhanden. Nach anfänglichen Diskussionen zeigte sich aber, dass das Relief von einer grossen Mehrheit verlangt wurde. Das Relief wurde auf der Basis des Höhenkurvenbildes von Spezialisten mit Spritzpistole und Pinsel aufgetragen. Gelegentlich kam auch ein weicher Gravitstift zum Einsatz. Als Richtung für den Lichteinfall wurde Nordwesten (oben links) gewählt. Das Reliefbild wurde als einziges Element aufgerastert und doppelt gedruckt. Das Negativ mit leichtem Gelb als Sonnseite und das Positiv in leichtem Dunkelgrau als Schattenseite. Die Dichte wurde dabei so gewählt, dass das Kartenbild nicht gestört wurde.
Arbeit mit Retuschierfarbe
Neben der Gravurarbeit kam auch die Retusche zu Einsatz. Vor allem die Flächentöne wie Wald- und Seeflächen mussten sauber ausgeführt werden. Hier sieht man eine Strasse mit Doppellinie, die nicht mit der Waldfarbe gedeckt werden darf und deshalb offen bleiben muss. Natürlich wurde die Retuschefeder auch für Korrekturen eingesetzt.
Offset-Druck
Gearbeitet wird auch heute noch mit zwei Vierfarben-Offsetmaschinen. Für den Druck werden vier Farbplatten im Kontaktverfahren auf je eine 0,3 mm dicke Aluminiumplatte kopiert, die dann auf die vier Farbwerke eingespannt werden. Wichtig ist das genaue Einrichten der Druckplatten, damit der Druck des Kartenbildes in den vier Farbwerken ohne Farbverschiebung erfolgt. Für den Druck einer Landeskarte 1:25‘000 mit acht Farben benötigt man zwei Durchgänge.
Fazit
Abschliessend schreibt Christoph Eidenbenz: „Die Bilder zeigen Vorgänge, die heute nicht mehr bekannt sind. Heute läuft alles digital, die Reproduktionsabteilung ist verschwunden und die Kartographen und Photogrammeter sitzen an Bildschirmen. Sogar der Operateur im Flugzeug arbeiten mit einem Scanner und der Navigator ist ‚dank‘ GPS verschwunden.“
Vollständige Bildinformationen
Krebs, Hans: Herstellung Landeskarte, Luftaufnahmen: Vermessungsflugzeug in Dübendorf, Flughöhe, 15.07.1971. Wabern bei Bern, Eidgenössische Landestopographie, 1971. Reportage mit 194 Bildern (Auswahl digitalisiert) (Com_L20-0307-0005-0002, http://doi.org/10.3932/ethz-a-000989803)
DOI Link: https://doi.org/10.35016/ethz-cs-5248-de
Und für die Alaska-Karte insbesondere der Mount McKinley wurden zwar die Flugaufnahmen von der US-AirForce gemacht. In die Karte umgesetzt – insbesondere die Gletscherdarstellung – wurde es in Bern inkl. gedruckt.