Autor: Peter Hahn
Vorbemerkung
Wir stellen Ihnen heute den neuen Diabestand Dia_348 vor, der seit kurzem auf E-Pics Bildarchiv Online online gestellt ist. Der Fotograf Peter Hahn kommt dabei selber zu Wort.
Peter Hahn ist dipl. Forstingenieur ETH und war während knapp 30 Jahren im luzernischen Forstdienst (zuletzt in der Funktion eines Kreisoberförsters) tätig. Danach folgte bis zur Pensionierung noch ein 7-jähriges Engagement als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach. Seitdem nutzt er den „Unruhestand“ zur Abfassung und Publikation eines forsthistorischen Werkes mit dem Titel „Zeitspuren im Entlebuch“ (Hahn, P. 2011, Verlag Paul Haupt, Bern). Das Buch befasst sich mit der Waldentwicklung und dem Landschaftswandel im 20. Jahrhundert im Entlebuch. Das reich bebilderte Werk behandelt das Thema anhand von historischem und vergleichendem aktuellen Bildmaterial. Danach arbeitete er an einer Studie zum Landschaftswandel im Gebiet des eidg. Schiessplatzes Glaubenberg (LU/OW).
Peter Hahn ist ein passionierter Natur- und Landschafts-Fotograf. Seine private Dia-Sammlung umfasst über den Zeitraum 1965-2005 rund 50’000 Farbbilder. Er hat überwiegend mit Kodachrome-Kleinbilddiapositiven fotografiert und ab 2006 ist er auf Digitalfotografie umgestiegen. Die Sammlung enthält ausschliesslich Bildmaterial aus der Schweiz. Der Schwerpunkt liegt bei Natur- und Landschaftsaufnahmen aus dem Alpenraum (inkl. Voralpen). Mittelland und Jura sind eher sporadisch abgedeckt.
Peter Hahn hat seinen Bestand inhaltlich in 10 Kategorien gegliedert. Diese Gliederung haben wir übernommen, und zwar im Feld Beschreibung auf E-Pics Bildarchiv Online. Seine Kategorien werden dort jeweils mit „Schlagworte Fotograf: …“ eingeleitet.
- Kategorie 1 Geologie / Topografie
- Kategorie 2 Landschaft / Landschaftswandel / Landschaftsschutz
- Kategorie 3 Wald / Bewaldung (Schutzwald, Waldschäden usw.) / Waldentwicklung
- Kategorie 4 Naturgefahren / Naturereignisse
- Kategorie 5 Offenlandnutzung (inkl. Bergland-/Alpwirtschaft)
- Kategorie 6 Siedlung / Besiedlung (inkl. Infrastrukturanlagen)
- Kategorie 7 Gewässer / Feuchtgebiete
- Kategorie 8 Naturschutz (Schutzgebiete) / Umweltschutz (Klimawandel usw.)
- Kategorie 9 Lebensräume (Ökologie) / Biodiversität (Pflanzen/ Tiere)
- Kategorie 10 DIVERSES
Daraus geht klar hervor, dass er den Bereichen Natur(schutz) und Umwelt(schutz) ein zentrales Gewicht beimisst. Ein ebenso wichtiges Anliegen ist ihm, der intensivierten Sensibilisierung der Öffentlichkeit für langsam ablaufende Prozesse vermehrte Beachtung zu schenken. Und schliesslich wird sein Bildmaterial im Bereich des längerfristigen Landschafts-Monitorings wertvolle Dienste leisten.
Bei der Übernahme und Bearbeitung des umfassenden Diabstandes sind wir analog zum Diabestand von Siegfried Keller (Dia_339), den wir kürzlich auf ETHeritage vorgestellt haben, vorgegangen. Die Inventarisierungsarbeiten durch Peter Hahn hatte ebenfalls zur Folge, dass eine qualitative Bewertung durch den Fotografen selber stattgefunden hat. Der im Bildarchiv vorhandene Diabestand umfasst nun noch rund 6’000 von 50’000 Bildern.
Dass die arbeitsintensive Inventarisierung durch den Fotografen selber ausgeführt wurde, ist erneut ein Glücksfall. Denn der Fotograf kann am besten entscheiden, welche Bilder tatsächlich für die Nachwelt aufbewahrungswürdig sind. Er kann eine inhaltliche Selektion treffen, die uns Laien in der Form nicht möglich wäre. Eine Selektion ist bei den meisten modernen Beständen sinnvoll, da erfahrungsgemäss viele redundante oder doch sehr ähnliche Bilder vorhanden sind. Der Fotograf weiss am besten, welches Bild seine Bildabsichten am besten getroffen hat und welches nicht. Wenn der Fotograf dann auch noch die Inventarisierung selber machen kann, also das Erstellen der Listen mit den wichtigsten Bildinformationen (Titel, Beschreibung, Datum), ist eine hohe Metadatenqualität gewährleistet.
Das bedeutet fürs Crowdsourcing, dass Sie zwar Kommentare einreichen dürfen, wir diese aber nicht in die Metadaten integrieren, sondern nur im Feld Kommentar hinterlegen werden.
Einleitung
Gemäss dem Gletscherinventar 2010 gibt es in den Schweizer Alpen 1500 Gletscher. 2010 betrug die Gesamtfläche noch 944 km2, was ungefähr der Fläche des Kantons Schwyz entspricht. Das immer wärmer werdende Klima setzt den Gletschern stark zu. Gemäss einer 2013 erschienenen Studie des IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change) hat im Zeitraum zwischen 1880-2012 die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche um 0.85 °C zugenommen. Im Alpenraum liegt dieser Wert noch höher. Seit dem vorletzten Inventar von 1973, also innert 37 Jahren, resultiert bei den Schweizer Gletschern ein Flächenverlust von 28% oder knapp einem Drittel. Fast noch gravierender wirkt sich der Massenverlust aus. Über dieselbe Zeitspanne verloren die Schweizer Gletscher 22,5 km3 an Eis. Die daraus entstandene Wassermenge hätte ausgereicht, um den Vierwaldstättersee zweimal zu füllen. Wenn diese Entwicklung anhält, treten sommerliche Hitzeperioden mit potenzieller Wasserknappheit immer häufiger auf. Weitere Probleme bereiten auftauende Permafrostböden, vermehrte Rutschungen, Steinschläge oder gar Felsstürze.
Quelle: https://www.nzz.ch/wissenschaft/klimass
Nachstehend werden am Beispiel von vier grossen Alpengletschern einige typische Phänomene anhand von Fotografien näher beleuchtet. Zu verschiedenen Zeiten entstandene Vergleichsbilder geben Aufschluss zur Dynamik von Gletscherlandschaften.
1. Aletschgletscher
Der Aletschgletscher ist der grösste Alpengletscher. Wie die allermeisten unter ihnen, ist er seit dem Hochstand von 1860 (Ende der Kleinen Eiszeit) massiv zurückgegangen (2010).
1973 betrug seine Länge des 23.95 km, um 2010 lediglich noch 18.5 km. Dies entspricht einem Längenverlust von rund 5.5 km (23% innert 37 Jahren). Parallel dazu ist im gleichen Zeitraum seine Fläche um 8.25 km2 geschrumpft und liegt 2010 noch bei 78.4 km2, was nicht ganz der Fläche des Zürichsees entspricht. Vor allem seit 1985 ist ein starker Massenverlust festzustellen (vgl. Abb.2a).
Diese Seitenmoräne belegt einen früheren Gletscher-Hochstand. Inzwischen hat sich hier ein lichter Lärchen-Pionierwald eingestellt (2010).
Die farbigen Linien zeigen an, wo der Rand des Aletschgletschers einst lag (rote Linie 1850, grün=1973, blau=2010).
Quelle: Grafik Swisstopo/GLAMOS -> Projekt Glacier Monitoring Schweiz
Beim Gletscherrückzug bilden sich immer wieder temporäre Randtümpel. Der bekannteste unter ihnen war der Märjelensee beim Eggishorn. Dieser ist allerdings schon seit Langem wieder verschwunden. Durch Risse und Spalten im abschmelzenden Gletscher ist der seinerzeitige See vollständig ausgelaufen (2010).
Der Driestgletscher am Fusshorn liegt am orografisch rechten Talhang hoch über dem (auf dem Bild nicht sichtbaren) Aletschgletscher. Der eher kleine Lokalgletscher ist in den letzten Jahrzehnten stark abgeschmolzen. Der Rand des Eises liegt heute auf einer Höhe von 3100 m ü. M. Unterhalb dieser Marke wurde der nackte Felssockel mit den typischen Gletscherschliffen freigelegt. Am rechten Bildrand ist zudem eine mächtige alte Seitenmoräne deutlich sichtbar. Im Vordergrund stocken markante Arven bis in eine Höhe von 2200 m ü. M. (2010).
Von der gewaltigen Erosionskraft des Aletschgletschers zeugen die imposanten Gletscherschliffe nahe der Hängebrücke über die Massaschlucht beim Aletschwald (2010).
Der kleine Grünsee ist ein landschaftliches Kleinod in der Massaschlucht. Er verdankt seine Entstehung ebenfalls der Erosionstätigkeit des Aletschgletschers und den so geformten Gletscherschliffen (2010).
Der seit der Kleinen Eiszeit – dem letzten Höchststand der Alpengletscher um 1862 – bis heute entstandene Pionierwald im so genannten Üsser Aletschji ist ein klares Indiz für die seit Langem währende Klimaerwärmung. Im Vordergrund ein vitaler Arvenwald auf rund 2100 m ü. M. Im oberen Taleinschnitt weist die helle Zone auf die ehemalige Lage des massiv abgeschmolzenen Oberaletschgletschers hin (2010).
Ein Pionierwald aus Lärchen, Birken und Fichten besiedelt zunehmend die Gletscherschliffe bei Oberaletsch (2010).
Der Aletschgletscher hat sich vor allem im 20. Jahrhundert vollständig aus der Massaschlucht zurückgezogen. Seine schuttbedeckte Zunge ist im Hintergrund gerade noch knapp erkennbar (2010).
Östlich der Tällihitta (rechte Talseite, vis à vis des Aletschwaldes) ist eine ganze Talflanke im Begriff, langsam abzusacken. Dieser Prozess dürfte ebenfalls die Folge der Klimaerwärmung sein. Durch den damit verbundenen Massenverlust verliert der Gletscher seine Stützfunktion, wodurch der lose Gehängeschutt ins Rutschen gerät. Sofern grosse Kubaturen auf einmal in Bewegung geraten, kann der Talfluss zurückgestaut werden. Im Falle eines plötzlichen Durchbruchs besteht dann die Gefahr einer Flutwelle mit verheerenden Folgen im Tal (2010).
Rutschzone talseitig der Tällihitta beim Oberaletschbach (2010).
Detail aus Dia_348-03561 (2 Bilder weiter oben): Das weisse Band markiert die Grenze dar Sackungszone bzw. das Ausmass der Sackung über die jüngere Vergangenheit (vermutlich Jahrzehnte). Ein vergleichbarer Prozess an der linksseitigen Talflanke des Aletschgletschers im Raum Moosfluh führte bereits zur teilweisen Sperrung gefährdeter Wanderwege (2010).
Im Bereich Silbersand ist die Sukzession im Aletschwald schon weit fortgeschritten. Über dem kargen Rohboden der dortigen Seitenmoräne entstand ein erstaunlich artenreicher, gut strukturierter Bergwald (2010).
2. Triftgletscher
Der Triftgletscher im Gadmertal (Aufnahme ab Windegg, 1971). Der Zustieg zur Trifthütte am Telltistock (links im Bild) führte damals noch von der orografisch linken Talseite über die flache Gletscherzunge des Triftgletschers auf die andere Talseite.
Infolge des starken Rückzugs des Triftgletschers entstand der neue Triftsee. Damit war der direkte Zugang zur Trifthütte abgeschnitten. Deshalb wurde eine neue Hängebrücke über die so genannte Graaggilamm und das Triftwasser gebaut (2007).
Aktuell existiert ein Kraftwerkprojekt mit einer Staumauer im Raum der 2009 gebauten Hängebrücke. Dadurch würde der heutige Gletscherrandsee um ein Vielfaches grösser. Gegenüber dieser Fotoaufnahme von 2015 ist der Abschmelzprozess des Gletschers inzwischen deutlich fortgeschritten. Das Zungenende hat sich heute (2020) gemäss der neusten Landeskarte 1:25’000 um rund 300 m vom Seeufer zurückgezogen. Zudem hat sich der Gletscher im Bereich des so genannten Oberen Absturzes (beim Wasserfall) in zwei Abschnitte aufgeteilt, wodurch neu der Undre Triftgletscher entstanden ist (2015).
Die 170 m lange Hängebrücke schwingt sich seit 2009 elegant über die Graaggilamm in einer Höhe von 100 m über dem Triftwasser. Über diese Brücke verläuft der Zustieg zur Trifthütte. Und an dieser Stelle würde auch die geplante Staumauer zu stehen kommen. Durch den klimabedingten Verlust an Gletschern werden vermehrt Pumpspeicherseen benötigt, um den erhöhten Spitzenbedarf an Strom im Winter abzudecken (2015).
Fortsetzung folgt nächsten Freitag, 10. Juli 2020.
Vollständige Bildinformationen
Hahn, Peter: Grosser Aletschgletscher, 11.10.2010 (Dia_348-03554, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001123501)
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