Grube Fortuna in Bergheim (BRD)

Lesezeit: 5 Min.

Angefangen hat die Geschichte mit meiner eigenen Recherche, die aber zwei Wochen lang absolut nichts ergeben hat. In meiner „Verzweiflung“ habe ich über ein Webformular mit dem Deutschen Bergbau-Museum Kontakt aufgenommen. Zu meiner Freude hat sich nach einer Woche eine Frau Kikillus gemeldet und um mehr Information gebeten. Ich habe geliefert, was ich konnte, aber das war ja nur sehr wenig. Trotzdem habe ich ein paar Tage später wieder von Frau Kikillus gehört, die das Gerät zwar einordnen konnte (Absetzer), aber sonst auch nicht viel über das eigentliche Bild wusste. Sie hat mich dann an Hans-Georg Thomas vom Historischen Konzernarchiv RWE  verwiesen. Wie sich zeigte, war das genau der richtige Kontakt für diese Bilder.

Herr Thomas hat in der Folge sechs Bilder aus dem Album „Förderanlagen der Maschinenfabrik Hartmann AG, 1940-1965“ (Ans_14926) beschrieben. Für die Quellnennung gibt er gerne grünes Licht, denn: 

Ja, Sie dürfen mich gerne als Quelle nennen. Ist doch schön, dass ich was zum Bildarchiv beitragen kann, wo ich es doch immer wieder intensiv und mit anhaltender Begeisterung nutze.

Hier nun also die detail- und kenntnisreichen Ausführungen von Hans-Georg Thomas.

Grundsätzlich: Ein Absetzer hat die Funktion, die an der Gewinnungskante eines Tagebaus anfallenden und über Bahn bzw. Förderbänder antransportierten Abraum-Massen zum Wiederauffüllen der ausgekohlten Teile eines Tagebaus zu verstürzen. Dies ist die Grundlage für die Rekultivierung eines Tagebaus. Von daher ist der 731 ein gutes Monster. Ein Absetzer ist quasi das Gegenstück zu einem Schaufelradbagger, der mit der Schaufel Abraum bzw. Kohle aufnimmt und über ein Band bzw. ein Zugbetrieb weiter leitet. 

Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Ausleger, 1954-1958 (Ans_14926-018-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231357)

Der Absetzer wurde 1948 unter der Baunummer 45/46 von der Fa. Stahlbau Rheinhausen, einem Unternehmen des Krupp-Konzerns gebaut und an die Rheinische Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation, Köln, kurz RAG geliefert. Dort erhielt er die Gerätenummer 731 und wurde zum Wiederauffüllen der ausgekohlten Grube Fortuna in Bergheim bei Köln eingesetzt. Die RAG war zu dem Zeitpunkt die größte Gesellschaft des rheinischen Braunkohlenbergbaus, die Grube Fortuna ihr über Jahrzehnte wichtigster Tagebau.

Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Blick vom Ausleger zur Materialaufnahme, 1954-1958 (Ans_14926-020-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231359)

Absetzer in dieser Größe (731 konnte bis zu 50.000 m³ pro Tag bewegen – zum Vergleich die größten Absetzer heute schaffen 240.000m³/d) waren in den späten 1940ern noch relativ neu und die RAG bezahlte dafür ein hohes Lehrgeld. Denn bereits 1954, wenige Jahre nach Ablieferung, musste der Absetzer grundlegend umgebaut werden. Aber auch das bescherte ihm nur ein kurzes Weiterleben – im August 1958 kam es zu einem größeren Schaden, in Folge dessen der RAG 731 kurzerhand verschrottet wurde. Zehn Jahre ist heute für ein Großgerät kein Alter (unser Oldie Bagger 255 läuft seit 66 Jahren mit zwischenzeitlichen Frischzellenkuren), zeigt aber, dass es sich hier um eine wenig ausgereifte Konstruktion handelte – was aber typisch ist, wenn bei Technik und Größe ein neuer Schritt gewagt wird.

Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Materialaufnahme mit Eimerkette, 1954-1958 (Ans_14926-019-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231360)

Der Absetzer ist zweigeteilt: In ein Aufnahmegerät (hier werden die von den Abraumzügen angekippten Abraummassen mit Hilfe einer Eimerkette aufgenommen) und dem eigentlichen Absetzer, der die Abraumassen über einen langen Ausleger mit einem Förderband weit vor dem Gerät verkippt oder vereinfacht gesagt aufhäuft (daher vermutlich auch die beiden Krupp-Bau-Nummern). Der Absetzer ist auf ihrem Foto leider sehr unglücklich getroffen, quasi von hinten. Denn man sieht das wesentliche Element, den Ausleger, über den die Abraummassen verkippt werden, nicht sehr deutlich. Damit Sie einen besseren Eindruck bekommen, habe ich Ihnen ein Foto vom 731 vor dem Umbau 1950 beigefügt.

Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Nicht identifizierte Detailaufnahme, 1954-1958 (Ans_14926-021-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231361)
Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Detail des Förderbandes auf dem Ausleger, 1954-1958 (Ans_14926-023-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231362)

Zur Datierung Ihrer Fotografien kann ich leider nichts sagen. / Zu Firma Hartmann, Offenbach: Sie hat mehrfach Absauganlagen und Saugluftförderanlagen für Brikettfabriken an verschiedene Unternehmen des Rheinischen Braunkohlenbergbaus geliefert. Briketts waren bis Anfang der 1960er Jahre das Hauptprodukt des Braunkohlenbergbaus (davon sind übrigens nicht wenige in die Schweiz exportiert worden). . Eine Einbindung der Fa. Hartmann in den Bau/betrieb von Absetzern ist mir bislang nicht bekannt. / Von daher ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter der Fa. Hartmann anlässlich eines geschäftlichen Termins wegen ihrer Absauganlagen die Gelegenheit für eine Besichtigung der Grube Fortuna einschließlich des Absetzers 731 hatten. Dafür spricht auch das kleine Format der Abzüge, die vermutlich 1:1 Kontakt der Negative sind.

Die Folgerungen zur Beteiligung der Firma Hartmann hat Herr Thomas später noch revidiert. In einem späteren Mail schrieb er dazu:

Es könnte sein, dass Hartmann im Zuge des Umbau eingeschaltet worden ist.

Mithilfe der Informationen von Herrn Thomas ist es mir dann noch gelungen, die Datierung der Bilder auf einen Zeitraum von vier Jahren einzugrenzen. Wie oben erwähnt, wurde das Gerät 1954  revidiert und 1958 verschrottet. Wenn man Ans_14926-018-AL ganz genau anschaut, kann man dort das Datum 16.7.54 lesen. Das stimmt mit dem Jahr der Revision überein.

Mein Dank geht natürlich an Frau Kikillus und Herrn Thomas! Ohne sie würde ich heute noch rätseln.

Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Gesamtansicht vom Gleisniveau, 1954-1958 (Ans_14926-022-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231363)

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Vollständige Bildinformationen

Unbekannt: BRD, Bergheim, Grube Fortuna, Absetzer 731, Gesamtansicht vom Gleisniveau, 1954-1958 (Ans_14926-022-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001231363)

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DOI Link: https://doi.org/10.35016/ethz-cs-15228-de

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3 Kommentare

  1. Koni Kreis
    Saturday, 10. April 2021
    Antworten

    Danke an die zwei Thomasse für ihren informativen Beitrag über die Absetzer im Braunkohle-Tagebau.
    Der Begriff „gutes Monster“ ist gut gewählt. Zwar waren diese Riesenmaschinen lange sehr nützlich, aber nun hat zum Glück ihr Stündchen geschlagen.

  2. Tuesday, 13. April 2021
    Antworten

    Eine beeindruckende Maschine, die leider verloren gegangen ist. Sie schreibe, in Ihren Posting : „Damit Sie einen besseren Eindruck bekommen, habe ich Ihnen ein Foto vom 731 vor dem Umbau 1950 beigefügt.“ Ich versuche, einen zugänglichen Überblick zu schaffen über die Braunkohle-Grossgeräte im Rheinland. und wäre sehr glücklich mit diesem Foto, das Ihnen gegeben wurde.
    Meine Seite ist auf Deutsch

    • Thomas Pfister
      Tuesday, 13. April 2021
      Antworten

      Danke für Ihre Anfrage, ich habe sie mittels E-Mail beantwortet.

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