Mittelholzers Kilimanjaroflug-Bilder: schon wieder?
Es begann als kleine Neckerei. Bei der Diskussion im Blogbeitrag «Abadia Reinhart von Walter Mittelholzer?» hatte ich mich beklagt, dass die Reihenfolge der Bilder vom Mittelholzerschen Kilimanjaro-Flug durcheinandergeraten und in den Bildcodes gar nicht gut abgebildet sei. Ich meinte damals, die Rekonstruktion der richtigen Reihenfolge sehe «nach einer Herkulesaufgabe aus». Thomas Pfister antwortete darauf, Herkulesaufgabe, das töne doch ganz nach mir. Und er wünschte viel Spass beim Knobeln.
Das dünkte mich zwar schon etwas gar spöttisch formuliert. Denn als Herkules, der ja zum Beispiel die Aufgabe bekam, die Rinderställe des Augias auszumisten, sehe ich mich wirklich nicht. Es war aber wohl nett und aufmunternd gemeint.
Ich habe die Sache dann etwas genauer angeschaut und gesehen, dass bei vielen Bildern das Feld Datierung doch schon ziemlich zutreffend ausgefüllt war. Im neuen Webfrontend des Bildarchivs können die Bilder verschieden sortiert angezeigt werden. So könnte man also die Bilder nach dem Feld Datum 1 sortieren. Man bekäme so schon fast ihre gewünschte zeitliche Reihenfolge – wenigstens auf der Stufe der Bildaufnahme-Tage.
Mit einem bisschen Aufwand sollte es doch möglich sein, schon verortete Bilder besser zu datieren und die zahlreichen noch unverorteten Bilder auf der Basis der bekannten Reiseroute zu verorten und zu datieren. Das dachte ich.
Nachträglich muss ich mir noch ausdenken, was denn der Nutzen von noch besser verorteten und datierten Bildern sein könnte – abgesehen davon, dass man dann einfach Ordnung hätte, was schon die halbe Miete wäre und der Nachwelt auch nützen würde.
Und sonst, zuerst einmal: Schöne Bilder werden durch eine Verortung und Datierung sicher aufgewertet. Bei mir hängt beispielsweise ein Mittelholzer-Alpenbild an der Wand, bei dem mir wichtig ist zu wissen, dass es von 1933 stammt und den Hocheiser darstellt. Ach, der Hoch…?, sagt mir der Besucher dann jeweils, und schon sind wir im Gespräch.
Dann lassen sich verortete Bilder besser einer Bevölkerung zuordnen, der so auch Beachtung und Anerkennung gezollt wird. Es kann konkret daran gedacht werden, die Orte selbst einmal aufzusuchen und mit eigenen Augen anzuschauen. Seit der Beschäftigung mit den Kilimanjaro-Bildern finde ich beispielsweise den Südsudan eine bemerkenswerte unbekannte Gegend.
Bisher lag der interessierende Schwerpunkt bei den Kilimanjaro-Bildern etwas stark auf den publikumswirksamen Themen Pyramiden, verschneite Vulkane, Jagdsafari und nackte Eingeborene, sodass oft nur einzelne auffällige Bilder herausgepickt wurden.
Vielleicht hätten die Bilder, und zwar auch die unauffälligeren, heute auch etwas zu sagen zu Dingen wie Landschaftsentwicklung, Vegetation, Fauna, Landwirtschaft, Siedlungsbau. Es hat mich beim näheren Hinschauen mit Google Maps erstaunt, wie viel Landflächen, die auf Mittelholzers Bildern als wüstenähnlich erscheinen, als heute intensiv genutztes Ackerland erkennbar sind. Eine Fragestellung könnte beispielsweise sein: Wie sah diese Landschaft damals aus und wie präsentiert sie sich heute, und wie wird sich der Klimawandel wohl auswirken? Dazu könnten gut verortete Bilder einen Beitrag leisten.
Ein Bild wie das hier kann durchaus nützliche Informationen liefern:
Diese Kraterabhänge am Mount Elgon sind heute wesentlich intensiver landwirtschaftlich genutzt. Man könnte also untersuchen, ob die Bodenerosion fortgeschritten ist. Oder man könnte in einem bestimmten Areal die Zahl der Bäume und Büsche damals und heute bestimmen.
Was ist denn das Problem mit der Datierung?
Als Anleitung für die Datierung eignet sich natürlich Mittelholzers Reisebericht «Kilimandjaro-Flug» von 1930 und insbesondere die Flugtabelle auf Seite 110. Dort ist die Reiseroute fein säuberlich mit Etappenorten, Datum, Abflug- und Ankunftszeiten und Distanz eingetragen.
Diese Flugtabelle und den ganzen Reisebericht beurteile ich übrigens als absolut faktentreu. (Bei der Interpretation des Gesehenen war Mittelholzer allerdings ein Kind seiner Zeit.)
Wenn also klar ist, in welcher Gegend ein Bild aufgenommen worden war, dann kann man es ziemlich gut datieren. Wenn man aber noch nicht weiss, welche Landschaft ein Bild darstellt, dann ist auch die Datierung unmöglich.
Aber auch bei einer guten Verortung kann die Datierung noch unklar sein. Denn die Hin- und die Rückreise führten zum grössten Teil durch die gleichen Gegenden (Italien, Ägypten, Sudan, Protectorate of Uganda, Kenia, Tanganjika). So ist oft unklar, ob ein Bild von der Hin- oder der Rückreise stammt. In der Regel stammen die Bilder aber von der Hinreise. Auf der Rückreise hatte Mittelholzer wenig Zeit und Musse, oft schlechtes Wetter und einige motortechnische und medizinische Probleme.
Zwar kann man manchmal aufgrund des Sonnenstands und durch die Beobachtung der Flugzeugflügel und der daran befestigten Geräte herausfinden, in welche Richtung das Flugzeug geflogen ist. Aber solche Beobachtungen sind nicht einfach und auch nicht immer möglich. Es ist in der Regel anzunehmen, dass ein Flugzeug immer die direkteste Route und keine Umwege und Kreise fliegt – aber Gewissheit kann man nicht haben.
Die Bilder von Alexandria sind besonders schwierig tagesgenau zu datieren. Denn sie könnten von der Hinreise nach Kairo, vom Überführungsflug nach Abukir am 30.12.1929, von der Weiterreise nach Süden oder auch von der Rückreise am 22.2.1930 stammen. Vielleicht können wir mit der Datierung der Bilder auf das frühestmögliche Datum leben – aber ganz korrekt ist es nicht. Am sinnvollsten ist in solchen Fällen eine Von-Bis-Datierung.
In obigem Bild ist am oberen Bildrand der rechte Flugzeugflügel zu erkennen. Das Flugzeug bewegt sich also – in diesem Moment – Richtung Mittelmeer. Dennoch wage ich nicht überzeugt zu behaupten, dass das Bild vom Tag der Rückreise stammt.
Genug der Vorrede, fangen wir mit unserem Diaabend an.
Ich zeige in der Folge ein paar Aufnahmen, die bisher nicht oder nicht befriedigend verortet waren. Als Weihnachtsbonus gibt es ein paar Aufnahmen mehr als das, was anfangs geplant war.
Eines muss ich noch gestehen. Von einigen Bildern weiss ich nicht viel mehr als die Story, wie ich den Ort gefunden habe. Das ist aber auch schon etwas.
Italien und Malta
Mittelholzer flog über die Alpen Richtung Genua, dann via Rom und Neapel nach Sizilien, von dort nach Malta und Benghasi in Libyen.
Die unten abgebildete Landschaft war etwas schwierig zu finden, weil ihre Konturen im Morgenlicht etwas hart erscheinen. Ich suchte zuerst in Süditalien bei Salerno herum. Die Strassenlinien und die Häuser deuten an, dass man noch in Europa suchen muss. Durch die gewundenen Strassenlinien unten im Bild ist auch schnell klar, ob man den richtigen Ort gefunden hat.
Es ist ein Weingebiet in der Gegend von Pavia, südlich des Po.
Ein gutes Indiz war der links unten im Bild sichtbare breite typisch mediterrane Fluss (hier der Torrente Tidone). Diese breiten gelben Flussbänder sind auch in Google Maps gut zu erkennen und zu verfolgen. Ebenso hilfreich ist die Beachtung des Geschwindigkeitsmessers am rechten Flugzeugflügel, oben am Bildrand: Das Flugzeug bewegt sich nach links, Richtung Rapallo, wir schauen westwärts.
Das folgende Bild vom Ätna war im Bildarchiv als Kilimanjaro bezeichnet.
Regel: Es kann nicht schaden, bestehende Verortungen zu überprüfen.
Bei diesem Bild habe ich noch ermittelt, wo auf Malta sich das abgebildete Städtchen befindet. War eine reine Fleissarbeit nach dem Motto «Landschaft geduldig abfliegen». Malta ist eben überschaubar.
Die Reiseroute führte weiter nach Libyen. Von dort gibt es aber keine Aufnahmen.
Ägypten
Bei den Bildern aus Ägypten ist die genaue Datierung eher schwierig. Mittelholzer und sein Team hielten sich hier nämlich vom 18.12.1929 bis zum 2.1.1930 auf und kamen auch auf der Rückreise wieder vorbei. Es gibt neben Luftaufnahmen auch zahlreiche terrestrische Bilder, die aber oft nicht genau verortet werden können.
Aufnahmen aus der Stadt Kairo sind nicht leicht einzuordnen, weil manchmal markante Bauwerke fehlen oder weil Karten mit arabischer Beschriftung (für mich) schwierig lesbar sind.
Beim folgenden Bild war der auffällige damalige Eisenbahnbogen und der Hügelzug Mokattam im Hintergrund hilfreich für die Lokalisierung.
Dieses Bild könnte vom im Reisebericht erwähnten Ausflug mit dem Baumwollgrosshändler Alfred Reinhart am 29.12.1929 stammen. Die Person rechts im Bild könnte auch Alfred Reinhart selbst darstellen. Der abgebildete Ort ist aber unbekannt, und die genannte Entstehungsgeschichte ist auch nicht gesichert.
Das unten abgebildete Dorf Burayj im Nildelta konnte gefunden werden, weil ich einfach eine Gerade von Alfred Reinharts Baumwollfarm bei El Habawer nach Abukir bei Alexandria zog. Dieser Linie entlang ging ich auf die Suche. (Denn wieso sollte ein Flugzeug anders fliegen als in genau gerader Linie von A nach B?)
Der Sonnenstand für die Flugzeit um 15:00 Uhr (Flugtabelle!) liess den Schluss zu, dass ich von meiner Flug-Linie aus nach Süden, also nach links, schauen musste. Es hat geklappt. Aber es gibt ein paar ähnliche Bilder von Städtchen und Weilern im Nildelta, die noch der Auffindung harren.
Heute sieht der Ort stark gewachsen und verändert aus. Eigentlich ist nur noch der obere Bildteil mit dem schräg verlaufenden Kanal und der gewundenen Landstrasse klar erkennbar.
Weil solche Orte schwierig wiederaufzufinden sind, habe ich hier wie bei anderen Orten begonnen, die Koordinaten der Aufnahmeposition festzuhalten. Man kann diese Koordinaten (Breitengrad und Längengrad, in Dezimalgraden, hier 30.90401, 30.96356) bei Google Maps als Ort eingeben. So kommt man blitzschnell an den richtigen Ort. Man muss das Bild dann nur noch in die richtige Blickrichtung drehen, am besten natürlich in der 3D-Darstellung.
Das war nun wieder simpel: nur der gezogenen geraden Linie folgen und bei einem der zwei grossen Nilarme nachschauen:
Und das nächste Bild zeigte den Rosetta-Arm des Nils:
Hier war’s wieder echt schwierig. Wenn man aber an der richtigen Stelle ankam, dann war die Identifizierung sehr leicht. Denn so eine felsige Wüstenlandschaft verändert sich in 91 Jahren kaum. Eigentlich musste man sich «nur» auf die eine markante Felsspitze konzentrieren, die (links unter der Bildmitte) in das breite Wadi vorstösst… Ein Tipp kam aus dem Reisebericht, S. 35: «Bei Hamadi traversieren wir den Nil, um dessen grossen Bogen auf Luxor abzuschneiden.» Mittelholzer flog also nördlich dieses Bogens in der Östlichen Wüste.
Quizfrage: Wohin fliegen wir hier? Wir blicken nach Nordosten und schauen rechts aus dem Flugzeug, also fliegen wir – nach Nordwesten! Merkwürdig… ist das schon die Heimreise?
Das obige Bild fand ich aber nur deshalb, weil ich das untenstehende schon verortet hatte.
Regel: Es ist bei grosser Unordnung wie bei einem Puzzle immer sinnvoll, einander ähnelnde Bilder zu suchen. Es könnte sein, dass sie vom fast gleichen Ort oder aus der gleichen Zeit stammen.
Bei den Kilimanjaro-Bildern war es manchmal nützlich, auf die Art der sichtbaren Wolken (beispielsweise solche mit silbernen Rändern) zu achten, um damit «verwandte» Bilder zu erkennen.
Bei der genaueren Verortung von Bildern fragt man sich immer, ob und wie man den Originaltitel mit den neuen Informationen verändern soll. Hier habe ich den alten Titel mit Ergänzungen in eckigen Klammern versehen. Geht halt nicht immer so elegant. Es stellt sich auch die Frage, ob man überhaupt das Recht hat, einen Originaltitel zu verändern.
Sudan und Uganda
Orte an einem grossen Fluss lassen sich mit viel Geduld immer irgendwann finden. Schwieriger wird es, wenn der Fluss zahlreiche Arme bildet, wie zum Beispiel der Weisse Nil.
Bis Malakal ist der Weisse Nil aber noch recht übersichtlich. Allerdings darf man sich durch die trockenen Hochwasserrinnen auf dem Bild und in der Darstellung in Google Maps nicht verwirren lassen.
Von Malakal kennt man vor allem die Bilder von den riesigen Arealen der indigenen Einwohner (Stamm der Schilluk). Hier eine Ansicht von der Umgebung des englischen Verwaltungsbezirks, mit einem hübschen Kontrast von rechteckig geplanten Quartieren und einem diagonal verlaufenden Fusswegsystem.
Auch solche weitgezogenen Flussschleifen sind recht einfach zu identifizieren.
Aber zwischen Malakal und Juba verschwindet der Flusslauf des Weissen Nil in einem riesigen Sumpfgebiet, dem Sudd, was zahlreiche Aufnahmen kaum verortbar macht. Mittelholzer und seine Reisekumpane machten sich hier einen Spass daraus, Elefanten im Tiefflug im Sumpf herumzuhetzen und dabei zu fotografieren.
Die folgende Aufnahme ist zwar noch nicht exakt verortet, aber der Bildtitel liess sich doch schon ergänzen. In Mittelholzers Reisebericht ist nämlich eine im Bildarchiv nicht vorhandene zweite Aufnahme dieses Dorfs abgebildet. Sie zeigt auch einen längeren Nilabschnitts und trägt den Titel «Nuerdorf am oberen Nil».
Möglicherweise liegt dieses Dorf bei Bor im Südsudan. Wegen des Südsudanesischen Bürgerkriegs zwischen 2012 und 2018 haben aber auch zahlreiche Siedlungen gelitten, sodass der Vergleich von damals mit heute anspruchsvoll ist.
Dieses Bild von einem Dorf bei Juba würde sich für einen Alt-Neu-Vergleich oder eine Georeferenzierung in sMapshot eignen. In der freien Fläche rechts über der Mitte befindet sich heute nämlich der Juba International Airport.
Dieses Bild schliesst am obigen Bild rechts oben an. Juba ist heute die Hauptstadt der Republik Südsudan.
Ohne die Koordinaten (4.02533, 32.46067) könnte ich das untenstehende Bild wohl kaum ein zweites Mal finden.
Auch dieses Bild müsste irgendwo in der gleichen Gegend zu lokalisieren sein. Oder auch irgendwo ganz anders – denn die Reihenfolge der Bilder ist ja nicht gesichert.
Hier ist nur schon unklar, was mit dem Ort Lado gemeint ist. Und wer hat den Titel so formuliert?
Aber vielleicht kennt jemand die Gegend zufällig? Danke für die Unterstützung!
Dieses Bild trug bisher den Titel «Landschaft in Afrika». Lange habe ich in der Kraterlandschaft bei Arusha in Tansania herumgesucht, wegen der vulkanisch anmutenden Umgebung und des trübgrellen Lichts, das auch bei anderen Bildern vorkam.
Indiz war der Vulkan im Hintergrund mit seiner unverkennbaren Ambossform. So musste ich mich bei den Vulkanen irgendwann nach Norden zurückhangeln bis hier zur Nachbarschaft des Mount Elgon. Hilfreich war in Google Maps das gelegentliche Umschalten in den Modus mit den Geländereliefs. Damit ist die Struktur von Bergen und Tälern besser erkennbar als im 3D-Modus mit den vielfarbigen Satellitenaufnahmen.
Kenia
Von Mongalla bzw. Juba in Südsudan (damals Teil des Anglo-Ägyptischen Sudan) folgte Mittelholzer praktisch einer geraden Luftlinie nach Nairobi in Kenia. Verschiedene Aufnahmen konnten entlang dieser Linie lokalisiert werden.
Hier ein Blick von der Hochebene südöstlich von Eldoret in den Ostafrikanischen Graben.
Auf dem Bild vom Tal des Perkerra River, eines Zuflusses des Lake Baringo, sind rechts unter der Mitte grosse Farmflächen zu erkennen. Auf Google Maps sieht man hier 2021 riesige Treibhausanlagen.
Mittelholzer landete am 4.1.1930 um 12:45 Uhr in Nairobi. Er machte am nächsten Tag mit Baron Rothschild den Flug über den Mount Kenya und flog am 6.1. ins Camp Serengeti.
Wir schauen uns aber vorerst noch einige Aufnahmen vom Kraterhochland an der Grenze von Kenia und Tansania an.
Hier befinden wir uns im East African Rift Valley südwestlich von Nairobi.
Das folgende Bild hiess bisher «Ebene in Afrika».
Ein etwas unübersichtlicher Blick von einem alten Vulkanberg hinüber zu einem zweiten:
Indiz war der Kraterrand des Mount Longido links im Hintergrund. Er weist rechts eine markante Spitze auf – wenn man von der richtigen Seite her darauf schaut.
Tansania
Die folgenden Bilder wurden am Tag des «Kraterflugs», am 25.1.1930, aufgenommen. Mittelholzer flog mit Mitgliedern seiner Reisegesellschaft von der Serengeti zum Kilimanjaro und zurück.
Mittelholzer beschrieb das folgende Bild als «Der 3200 m hohe Elanairobi mit seinem ca. 1000 m tiefer liegenden Nebenkrater». Der Vulkan Elanairobi ist aber auf dem Bild gar nicht zu sehen, sondern nur sein imposanter Nebenkrater namens Kerimasi mit rechts unten einem kleinen unbenannten Nebenschlot. Ich habe versucht, den Titel anzupassen ohne Meister Mittelholzer zu stark zu widersprechen.
In der Ebene des Ostafrikanischen Grabens zwischen Kilimanjaro und Ngorongoro-Krater erheben sich zahlreiche kleine alte Vulkankraterchen. Wobei: die Ebene liegt hier etwa 1200 m hoch, der Vulkangipfel erreicht etwa 2100 m Höhe. Aber verglichen mit dem 5900 m hohen Kilimanjaro östlich davon ist der Mount Lepurko halt schon ziemlich klein.
Und hier darf nun wenigstens ein Bild vom Kilimanjaro selbst nicht fehlen. Es hiess bisher nur „Gebirgslandschaft“ und zeigt den westlichen Nebenkrater Shira, den dritthöchsten Berg des Kilimanjaro-Massivs, der knapp 4000 m hoch ist. Seine Abhänge waren zwar schon damals teilweise bewaldet, sie sind es aber heute noch viel stärker so.
Erstaunlicherweise waren die Bilder vom berühmten riesigen Ngorongoro-Krater, der einen Durchmesser von etwa 20 km aufweist, noch unverortet.
Der Mount Oldeani schliesst südlich an den Ngorongoro-Krater an. Sein Kraterrand ist gegen Südwesten aufgebrochen. Koordinaten: -3.27672, 35.46311
Dieses Bild war bisher mit «Landschaft mit vielen Einschnitten und Faltungen» betitelt.
Beigetragen zur Verortung hat die Beobachtung, dass das Bild LBS_MH02-07-0582 «Hügel und Täler aus der Luft» links an dieses Bild anschliesst. Die Gesamtgestalt des Berglandes wurde so besser erkennbar. Und dann folgte ich halt wieder Mittelholzers Text, S. 78: «… fliegen wir schon über die von Wassererosion durchfurchten Lavahänge der dicht ineinander gewachsenen Krater westlich des Njarasa-Grabens…», auf einer Luftlinie zwischen Serengeti und dem Kilimanjaro – und Bingo, da erschien dieses riesige versteinerte «Pflanzenblatt» in der Landschaft!
Serengeti
Die Serengeti hat im Süden keinen Abfluss, deshalb haben sich auch hier Salzseen gebildet.
Bei diesem Bild war das Indiz für die sichere Verortung der unscheinbare Doppelhügel am Horizont.
Im Vordergrund übrigens zwei Safariteilnehmer, die Löwen geschossen haben (siehe fotografische Beweismittel im Bildarchiv). Im Auto sitzt der einheimische Jagdbegleiter.
Zum Schluss noch zwei Bilder vom Camp Serengeti, das sich am Ort der heutigen kleinen Siedlung Seronera im Zentrum des seit 1951 bestehenden Serengeti-Nationalparks befand. Diese Verortung war durch die Sicht auf markante Hügel im Nordnordwesten und im Westen möglich.
Die Reisegesellschaft mit Walter Mittelholzer als ihrem Luftchauffeur verbrachte hier die Zeit vom 6.1.1930 bis zum 15.2.1930, behaglich und umsorgt. Von Pionierentbehrungen keine Spur.
Der markante Fels (Kopje) im Hintergrund steht heute noch genauso da, beim Serengeti Visitor’s Centre, in Seronera, Mara Region, Tansania.
Fazit
Das Hauptanliegen meines kleinen Projekts war es ja, die Bilder von Mittelholzers sogenanntem Kilimanjaro-Flug von 1929-1930 in die zeitlich richtige Reihenfolge zu bringen. Ist das gelungen?
Die Antwort ist ein eindeutiges Jein, allerdings ist das Glas eher halb voll als halb leer.
Es ist jetzt möglich, die Bilder dieser Expedition nach dem Feld Datum 1 zu sortieren und sie so in der ungefähr richtigen Reihenfolge anzuzeigen. Als erstes erscheint zwar noch ein Bild von Kairo, weil dort die Datierung mit 1929-1930 angegeben ist. Als zweites Bild werden aber schon die Marmorbrüche von Carrara vom 15.12.1929 gezeigt. Und auf dem letzten Bild sehen wir den Piz Morteratsch, der die Rückkehr in der Schweiz signalisiert.
Die Bilder zwei bis 32 zeigen die Aufnahmen vom 15.12.1929, dann folgt der Ätna vom 16.12.1929. Soweit so gut, aber dann taucht der Vesuv auf, denn der ist auf den 16. oder 17.12. datiert. Aber am 16.12. startete Mittelholzer bei Praia in der Provinz Cosenza Richtung Sizilien – und das ist schon weit südlich des Vesuv.
Und so geht es weiter: Bei jedem einzelnen der 545 Bilder müsste nachgeprüft werden, ob die eingetragene Datierungswerte der Flugtabelle und den neuen Erkenntnissen entsprechen. Das wäre recht aufwändig. Ein pragmatischer Ansatz wäre der, die Bilderreihenfolge mit Sortierung nach Datum 1 rasch durchzusehen und bei krassen Abweichungen die Datierung bei einzelnen Bildern richtigzustellen. Der pragmatische Ansatz kann auch Schritt für Schritt über längere Zeit realisiert werden, denn die Bilder rennen einem ja nicht davon.
Was nicht verbessert werden kann: Die Bilder sind innerhalb der einzelnen Tage oder Mehrtagesabschnitte nicht sortiert. Die Reihenfolge wie bei Bildern auf einem Filmstreifen erreicht man so also nicht. Wäre es also doch gescheiter, die Bilder allesamt grob auf 1929-1930 zu datieren? Nein, dann hätten wir ja überhaupt keine Reihenfolge.
Was die Verortung der Bilder anbetrifft – da kann ich sicher behaupten, dass einige Verbesserungen möglich geworden sind. Ich weiss selbst nicht mehr, wie viele Kommentare zu den Bildern ich ans Bildarchiv geschickt habe. Aktuell ist bei 163 der 545 Bilder mein Name in den Kommentarfeldern verewigt. Bei 123 Bildern ist zusätzlich das Wörtchen «Datierung» enthalten. Bei 52 Bildern kommt das Wort «Koordinaten» vor.
Die weitere Verortung von möglichst vielen Bildern hat mich jedenfalls wie immer fasziniert und einen Monat lang während zahlreicher Stunden an den Bildschirm gefesselt und von gefährlichen Ausschweifungen an Corona-verseuchten Orten abgehalten.
Man kann bei diesen Landschaftsbildern eben von der guten Annahme ausgehen, dass sie immer noch und in Grossaufnahme dort draussen in Afrika sichtbar sind und es nur eine Sache von Geduld und Zeit ist, bis man sie per Fernerkundung wiederfindet.
Vollständige Bildinformationen
Mittelholzer, Walter: Juba, am Weissen Nil, Blick nach Südosten (SE), 4.1.1930-18.2.1930 (LBS_MH02-07-0213, http://doi.org/10.3932/ethz-a-000255111)
Gloriose Arbeit, Koni! Ich bin beeindruckt und freue mich, dass ich via spöttischer Bemerkung (die nicht so gemeint war) etwas beitragen konnte.
Zum Thema Alfred Reinhart war ich auch noch ein bisschen aktiv und habe in diesem Dokument: https://www.bibalex.org/Attachments/Publications/Files/2013032015414960823_FromCampCeaesartoCleopatrasPool.pdf
ein Bild von Alfred Reinhart und seiner Frau gefunden. Ich denke, der Herr in LBS_MH02-07-0160 ist definitiv Alfred Reinhart. Kleidung und Figur passen 100%. Vom Gesicht ist ja in beiden Bildern nicht sehr viel auszumachen.
Danke, Thomas, für den Kommentar und die Ergänzung zu Alfred Reinhart. „Glorios“, das gefällt mir gut, da ist wieder ein Augenzwinkern drin.
Alles Gute, Dir und den Deinen, für die Festtage und das Neue Jahr!
This is just wonderful. I am a distant relative Mittelholzer. I happen to work for the oil company – Shell. We have an online internal company group where historical pictures, facts and details of the company history are published. I have seen photo‘s of Mittelholzer and other details which have been kept and archived by the Shell Company archivist. Mittelholzer was , I believe, using Shell Lubricants exclusively for his historic flights. I have found it both wonderful to see pictures published internally of Mittelholzer celebrating his achievements, especially since Shell Aviation celebrated its 100th Anniversary this year. He was truly an extraordinary Aviator and also entrepreneur.
Auf den Bildern, welche die Betankung des Flugzeugs zeigen, z.B. auf LBS_MH02-07-0129, „Tanken in Mongalla bei 40° Hitze“, sind tatsächlich meistens Kanister mit dem Muschel-Signet oder dem Schriftzug SHELL zu erkennen. Danke für den Hinweis.
Nachtrag: Das Bild LBS_MH02-07-0267, das bisher als „Gegend oberhalb von Lado“ betitelt war, konnte nun richtig verortet werden.
Es handelt sich um eine Aufnahme aus der Umgebung des Camps Serengeti, wohl um einen Anflug auf das Camp. Die im linken oberen Bildviertel erkennbare Hügellandschaft liegt nördlich des heutigen Orts Seronera und südlich der Einmündung des Nyabogati River in den Orangi River, im Serengeti District, im Ikoma Ward, in Tansania. Mit den in der Bildbeschreibung angegebenen Koordinaten kann man die Gegend leicht finden, Blickrichtung nach Westen.