Der Kommissar Zufall hat den Fall gelöst oder Koni strikes again!

Lesezeit: 6 Min.

Im Blog-Forum rätselten Koni Kreis (kk) und Thomas Pfister (tp) – ein bewährtes Duo – seit zweieinhalb Jahren über ein Bild von Walter Mittelholzer. Dazu eröffnete Koni Kreis am 18.12.2019 die Diskussion mit dem Titel Zu Weihnachten: Mittelholzers LBS_MH05-02-20 Glarneralpen.

1. Eintrag am 18.12.2019 (kk)

Bei diesem Bild von Mittelholzer [mit dem Titel „Glarneralpen“] bin ich schon einige Male vorbeigekommen. Jedes Mal schien es mir unglaublich, dass dieses Bild vom Meister, wo alles ohne jeden Nebelfetzen klar erkennbar ist und wo wir Bewohner des Grossraums Zürich die Gegend doch gut kennen sollten, noch nicht identifiziert ist.

Da ist doch dieser markante Felsklotz von Berg oben, links davon eine verschneite flache Krete, und darunter ein schneefreier bewaldeter Abhang, wo auch da und dort Häuser sichtbar sind. Das müsste doch zu verorten sein. (Braunwald ist es aber meines Erachtens nicht. Die Häuser und die Bewaldung deuten jedoch darauf hin, dass wir uns nicht sehr hoch oben befinden.)

Leider passt das Bild nicht zum Rest der Serie LBS_MH05-02, in der Mittelholzer einen Ausflug, im Gegenuhrzeigersinn, über die westlichen Glarner Alpen unternommen hat. Das Bild ist auch das letzte in der Serie, es könnte also auch ein Zufalls- oder Füllerfoto in einem anderen Zusammenhang sein.

Die Sonne scheint von rechts, wir schauen also eher nach Osten bis Südosten. Genug geschrieben, nun müssen wir nur noch schauen, denken, suchen, finden…

Bis Mitte des folgenden Jahres meldet sich der „Kommissar Zufall“ (Koni Kreis) noch drei weitere Male, um von der vergeblichen Suche nach der Lösung zu berichten. Es bleibt allerdings bis auf Weiteres ein Monolog.

2. Eintrag am 22.12.2019 (kk)

Leider kann ich noch keine Fortschritte vermelden. Da habe ich mir scheint’s etwas gar Schwieriges vorgenommen…

Ich habe das Gebiet zwischen Alpstein und Vorderrhein und zwischen Chur und Rigi abgesucht, ohne Erfolg. Vielversprechend schienen mir der Alpstein, die Churfirsten und die Schwyzer Voralpen. Es gibt zahlreiche mittelhohe Berggipfel mit einem „Horn“, die fast wie der auf dem Bild ausschauen, aber eben nur fast.

Momentan bin ich etwas ratlos. Ich stelle die Suche einmal auf Sparflamme und warte auf eine zufällige Wendung. 

Der Zufall wollte aber (noch) nicht mitspielen…

3. Eintrag am 6.1.2020 (kk)

Harter Brocken! Wenn man nur ungefähr wüsste, wohin Mittelholzer von Rapperswil aus geflogen ist, auch erst in den Tagen darauf. Per Mail habe ich den Vorschlag „Braunwald“ bekommen, aber wir konnten den Ort doch nicht dort festmachen.

Aufgrund der Kratzer auf dem Bild ist anzunehmen, dass das Bild schon in der gleichen Kamera entstanden ist. Aber die Sonne scheint hier heller als auf den vorherigen Glarneralpen-Bildern. Manchmal zweifle ich bereits daran, ob auf dem Bild überhaupt Häuser erkennbar sind. In den Details ist es nämlich recht unscharf.
Ich habe auch bereits alle Mittelholzer-Bilder von 1934 durchgesehen, nirgends gibt es ähnliche Bilder (mit Tiefflug, spärlicher Schneebedeckung, heller Sonne).

Schön wäre es, wenn man in Mittelholzers Tagebuch blättern könnte. Ist denn das 83 Jahre nach seinem Tod immer noch gesperrt?

Wenn das Bildnegativ bei mir im Keller lagern würde, dann wäre ich auch schon hinuntergestiegen und hätte mir das Negativ oder den Filmstreifen physisch angeschaut, um die Sequenz zu verifizieren. Jetzt dürfte dann gerne einmal der Kommissar Zufall auftreten…

Das Tagebuch von Walter Mittelholzer ist leider keine genaue Quelle: Dort stehen summarische Einträge wie etwa: „Berner- Glarner Alpenflug CC. S.A.C. Baden“ am Montag, 8. Oktober 1934.

4. Eintrag am 26.6.2020 (kk)

Von den „Glarneralpen“ nichts Neues. Der Kommissar Zufall ist gerade anderweitig beschäftigt. 

Kurz vor „Weihnachten“ erhält Koni Kreis nun endlich einen Diskussionspartner, Thomas Pfister versucht sich mit einer neuen Hypothese.

5. Eintrag am 26.8.2020 (tp)

Bald ist wieder Weihnacht… Hypothese: Das Bild ist im Raum Oberiberg zu verorten.

Begründung:

  • Dort gibt es viele Kalksteingipfel im Bereich bis ca. 1800m. Dort gibt es eine grosse Anzahl von Bergkirchlein und -kapellen.
  • Der Raum Oberiberg ist nur ein paar Flugminuten vom Zürichsee (LBS_MH05-02-19) entfernt.

Ich habe schon ein paar Gipfel ausprobiert, aber den Durchbruch noch nicht geschafft. Aber bis Weihnacht…

6. Eintrag am 27.8.2020 (kk)

Danke, Thomas, dass du den Fall wieder aufnimmst.

Ich habe jetzt eine Viertelstunde Oberiberg und Hoch-Ybrig „abgeflogen“. Es gibt zahlreiche ähnliche Höger dort, aber es hat noch nicht Klick gemacht.

Denn die Anhöhe müsste

  • einige senkrechte Felswände aufweisen
  • bis mindestens zur halben Höhe bewaldet sein

Es fallen also alle Hügel weg, die ganz kahl sind oder die nur so halb schräge Abhänge haben. Könnte Mittelholzer noch schnell Richtung Säntis geflogen sein? Er stammte ja aus St. Gallen.

Weihnachten geht an den beiden spurlos vorbei. Fast ein Jahr später nimmt Thomas Pfister den Faden nochmals auf – leider vorerst immer noch erfolglos.

7. Eintrag am 21.6.2021 (tp)

Also, ich habe mich, wieder mal, mit diesem blöden Bild rumgeschlagen.

Neue Hypothese: Das Bild ist nicht Teil der Serie und könnte irgendwo aufgenommen worden sein. Ich gründe meine Annahme auf folgende Beobachtungen:

  1. Mindestens zwei erfahrene Detektive quälen sich seit ca. zwei Jahren mit dem Bild ab. Keiner hat es geschafft, das Bild in den Glarneralpen zu verorten, ergo ist es nicht dort entstanden.
  2. Das Bild wurde, sofern es überhaupt ein Luftbild ist, im Tiefflug aufgenommen. Die anderen 18 Bilder in der Serie waren alle hoch geflogen. Wenn man den unteren Bildrand genau betrachtet, scheint dort ein kahler Laubbaum zu stehen, der sehr gut im Tal stehen könnte, wie der Photograph vielleicht auch.
  3. Die Tatsache, dass das Bild am Ende des Filmes ist, lässt es als möglich erscheinen, dass es an einem anderen Tag aufgenommen wurde.

Hilft das? Was suchen wir wirklich? Eine Felsklippe mit Ausrichtung nach W oder E? Höhe unter 2000 m? Kalkstein? Steht dort oben wirklich ein Kirchlein (ich glaube schon)? Ich denke auch, dass die Klippe in diesem Bild übergross erscheint. Wahrscheinlich ist das Ding viel unbedeutender, als es hier aussieht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass hinter der Klippe noch viel mächtigere Berge stehen, die wegen des steilen aufwärts Winkels in dieser Aufnahme nicht sichtbar sind.

8. Eintrag am 21.6.2021 (tp)

Um bei der Vegetation zu bleiben, im oberen Teil des Waldes scheinen vor allem Lärchen zu stehen. Hilft das vielleicht weiter?

Thomas Pfister bleibt am Ball, das „blöde“ Bild lässt ihm keine Ruhe.

9. Eintrag am 22.6.2021 (tp)

Was ich noch übersehen habe. Walter Zweifel hat sich zu dem Bild auch geäussert. Er glaubt auch nicht, dass es in den Glarner Alpen aufgenommen wurde. Da ich ihn als ausgesprochenen Fachmann für Glarus und Umgebung kenne, messe ich der Aussage viel Gewicht zu.

Über ein Jahr Funkstille und dann endlich die „Erlösung“. Der Zufall auf einer Zugfahrt führt zur Lösung des „Falls“. 

10. Eintrag am 7.8.2022 (kk)

Der Kommissar Zufall hat den Fall gelöst, nun fast zwei Jahre später.

Ich war im Bähnli von Arosa nach Chur und sah den gesuchten Berg plötzlich, ganz plötzlich und fast ohne Zweifel. Die Verifizierung zu Hause bestätigte den Fall dann:

Es handelt sich um den Berg Alpstein über Tschiertschen im Schanfigg. Der Bergwald im unteren Bildteil steht im Abhang unter Tschiertschen zur Plessur hinunter. Mittelholzer hat das Bild mit grösster Wahrscheinlichkeit auch vom Bähnli nach Arosa aus gemacht, ungefähr in der Gegend des Bahnhofs von Lüen-Castiel. Der merkwürdige runde Schatten unter dem Berg wird vom Nachbarberg Gürgaletsch geworfen.

Das positive Fazit von Koni Kreis, wenn auch hart errungen…

Im Nachhinein kann man noch sagen, dass wir bei den meisten Annahmen und Mutmassungen richtig gelegen sind.

Die Gratulationen lasse nicht auf sich warten…

11. Eintrag am 7.8.2022 (tp)

Koni strikes again! Nach beinahe zwei Jahren findet die Story ihren Abschluss. Einfach nur super!

12. Eintrag am 23.8.2022 (tp)

Fotografischer Beweis, den Thomas Pfister verdienstvollerweise selbst an Ort und Stelle geschossen hat.

Fotografischer Beweis von Thomas Pfister

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Vollständige Bildinformationen

Mittelholzer, Walter: Alpstein oberhalb von Tschiertschen im Schanfigg, Blick nach Süden (S), 1934. Oben: Alpstein (nicht im Alpsteinmassiv), auf dessen Fuss der runde Schatten des Nachbarbergs Gürgaletsch liegt, über der Mitte: Hügel Büel in der Gemeinde Tschiertschen, rechts davon: einige Häuser von Tschiertschen, untere zwei Bilddrittel: Bergwald zwischen Tschiertschen und dem Fluss Plessur, links unter Mitte: Einmündung des Sagabach-Tobels (LBS_MH05-02-20, http://doi.org/10.3932/ethz-a-000495843)

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DOI Link: https://doi.org/10.35016/ethz-cs-22785-de

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