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Am 13. August 2023 haben wir 35’000 Gletscherbilder der Professur Glaziologie der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) und der WSL Birmensdorf online gestellt!
Damit ist ein zentraler Bestandteil des GCOS-Projekts DEFOGGING abgeschlossen. Die Bilder sind der Bestand, der nach 1995 durch die Gruppe Glaziologie als Nachfolgerin der Glaziologischen Kommission gesammelt wurde und ist somit eine Nachlieferung zum Bestand Glaziologische Kommission der SANW (Archiv).
Eine grosse Auswahl der Bilder wurde bereits in sMapshot georeferenziert resp. die Kampagnen laufen noch. Eine abschliessende vierte Gletscher-Kampagne ist für Mitte/Ende September 2023 geplant.
Viele Bildtitel wurden bereits während den sMapshot-Kampagnen ergänzt. Und es gibt genügend weitere Bilder, die man verbessern könnte.
Der folgende Text ist der Abschlussbericht des Projekts GCOS Schweiz.
Projektzeitraum: 01.08.2021–31.07.2023
Projekt PI: Prof. Dr. Daniel Farinotti
Projekt-Stellvertreterin-PI: Nicole Graf
Mitarbeitende: Elias Hodel, Dr. Andreas Bauder, et al.
Institutionen: WSL Birmensdorf und ETH Zürich
Finanzierung: MeteoSchweiz, im Rahmen von GCOS Schweiz
Zusammenfassung
Die wiederholte Fotografie von Gletschern ist wahrscheinlich eine der eindrucksvollsten Möglichkeiten, das alarmierende Tempo des fortschreitenden Klimawandels zu veranschaulichen. Solche Fotos sprechen nicht nur die breite Öffentlichkeit an, sondern auch die wissenschaftliche Gemeinschaft in allen Disziplinen. Es gibt zwar einige gut kuratierte, hervorragende Beispiele für wiederholte Aufnahmen, aber weitaus häufiger gehen alte Fotos im Laufe der Zeit verloren. Manchmal tauchen solche Bilder erst Jahre später wieder auf, z. B. wenn ein Archiv verlegt wird oder wenn die persönlichen Fotos eines Vorfahren auf dem Dachboden der Familie wiederentdeckt werden.
Die Gruppe Glaziologie der WSL Birmensdorf und der ETH Zürich hatte in den vergangenen Jahrzehnten latent solche alten Gletscherfotos gesammelt. So entstand ein grosser Fundus an Bildern, die die historische Entwicklung der Schweizer Gletscher über rund ein Jahrhundert dokumentieren. Das Projekt „DEFOGGING“ (Discovering forgotten glacier images in a new glance) hat sich zum Ziel gesetzt, diese unglaublichen Dokumente zu valorisieren.
In enger Zusammenarbeit zwischen der ETH-Bibliothek und der Gruppe Glaziologie wurden im Rahmen des Projekts insgesamt fast 35’000 Gletscherbilder inventarisiert, digitalisiert und mit Metadaten ergänzt. Basierend auf den positiven Erfahrungen, die bei früheren Bildarchivierungsprojekten gemacht wurden, wurden rund 10’800 der aufschlussreichsten Bilder mit Hilfe der „Crowd“, d. h. einer Gruppe von Freiwilligen, die aus der Öffentlichkeit rekrutiert wurden, geolokalisiert. Ursprünglich sollte auch eine quantitative Analyse der Bilder vorgenommen werden, doch der Schwerpunkt lag auf der Aussagekraft der Bilder. Durch die aktive Förderung dieser Art von Bildern in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit sollte das Projekt dazu beitragen, die Bedeutung der Langzeitüberwachung zu vermitteln.
1. Einleitung
Gletscherveränderungen gehören zu den sichtbarsten Zeichen von Umweltreaktionen auf langfristige Klimaschwankungen. Der GCOS-Implementierungsplan unterstreicht dies und definiert „Gletscherfläche“, „Gletscherhöhenänderung“ und „Gletschermassenänderung“ als drei der wesentlichen Klimavariablen (ECV) im terrestrischen Bereich. Während die Überwachung von ECVs sowohl informativ als auch effektiv sein kann, könnte der visuelle Vergleich von Bildern (Abbildung 1) sogar noch aussagekräftiger sein, wenn es darum geht, der breiten Öffentlichkeit klimatische Veränderungen zu vermitteln.
Wiederholte Aufnahmen desselben Ortes sind weit verbreitet, um jede Art von Umweltveränderung zu visualisieren, von der zeitlichen Verschiebung von drei Linien bis zur Ausdehnung städtischer Gebiete. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel hat sich die wiederholte Fotografie von Gletschern als eines der beliebtesten Mittel etabliert, um über das Ausmaß und die Geschwindigkeit der gegenwärtigen Veränderungen zu informieren.
Manchmal werden solche wiederholten Aufnahmen von Gletschern gezielt gemacht, d.h. mit dem genauen Ziel, die Veränderungen der Gletscher zu dokumentieren. In solchen Fällen versuchen zeitgenössische Fotografen oft, die exakte Position, von der aus ein historisches Bild aufgenommen wurde, wiederzufinden – und investieren dafür manchmal erhebliche Anstrengungen. Viel häufiger ist jedoch die Situation, dass Gletscher einmalig fotografiert werden, als ein Element, das die Landschaft charakterisiert, in der sich der nicht-wissenschaftliche Fotograf gerade aufhielt. In der Schweiz und anderen Alpenländern mit langjährigen touristischen Aktivitäten werden solche Gletscherfotografien nun schon seit fast zwei Jahrhunderten gemacht, d.h. seit der Entwicklung von fotografischen Techniken, die tragbar genug sind, um in die Berge gebracht zu werden.
Mit dem Projekt „DEFOGGING“ wollten wir einen Rahmen schaffen, der es ermöglicht, solche historischen Fotografien langfristig zu erhalten und bei Interesse zu wiederholen. Die Idee war, das Fachwissen der ETH-Bibliothek im Bereich der Archivierung von historischem Material mit dem Fachwissen der Glaziologiegruppe der WSL/ETH zu bündeln und eine Plattform zu schaffen, über die historische Gletscherfotos (i) gesammelt, (ii) geolokalisiert und (iii) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Genauer gesagt, zielte das Projekt darauf ab, einen Prozess zu etablieren, durch den ordnungsgemäss geprüfte Bilder mit den notwendigen Metainformationen ergänzt und im Bildarchiv der ETH gespeichert werden.
2. Methoden und Aktivitäten
Konkret war das Projekt in sechs Arbeitspakete (APs) gegliedert, die sich mit der Sichtung und Inventarisierung der Bilder (AP1), ihrer Digitalisierung (AP2), ihrer Geolokalisierung durch Crowdsourcing (AP3), der quantitativen Auswertung der relevanten glaziologischen Informationen (AP4), der Verbreitung der Projektergebnisse (AP5) und der Operationalisierung der entwickelten Verfahren (AP6) befassten. Die Geolokalisierung erfolgte über die etablierte Plattform „sMapshot“, während die Infrastruktur der ETH-Bibliothek genutzt wurde, um sicherzustellen, dass die inventarisierten Bilder langfristig für eine breite Öffentlichkeit zugänglich bleiben.
Aufgrund des Erfolgs des Projekts wurde beschlossen, einen Teil der Projektabläufe in den Betrieb der Initiative Glacier Monitoring Switzerland (GLAMOS) zu integrieren. Damit wird sichergestellt, dass weiterhin aktuelle Gletscherwiederholungsaufnahmen für eine effektive Kommunikation der Gletscherveränderungen verfügbar bleiben.
AP 1: Inventarisierung und Triage
Ausgangspunkt für das Projekt war ein Pool von >50’000 Gletscherbildern , die im Laufe der Zeit von den Projektpartnern und ihren Instituten „angesammelt“ wurden. Der Pool reichte von Einzelbildern, die von gelegentlichen Touristen aufgenommen wurden, bis hin zu Zeitserien von wiederholten Fotos, die während früherer Forschungsprojekte gesammelt wurden. Die Bilder waren in einer Vielzahl von Formaten verfügbar, die von von einzeln gedruckten Fotografien über Diapositive und Abbildungen in Berichten bis hin zu einzelnen Fotopanoramen, die aus manuell auf Papier zusammengeklebten Bildern bestehen
AP1 verschaffte sich einen detaillierten Überblick über das verfügbare Material und ordnete es nach seinem glaziologischen Informationsgehalt (vgl. AP4) oder seinem Vermittlungspotenzial ein. Die Bilder wurden in vier Prioritätskategorien eingeteilt: Bilder, die mit hoher Priorität zu behandeln sind („Priorität A“-Bilder), Bilder, die mit mittlerer und niedriger Priorität zu behandeln sind (Priorität B bzw. C), und Bilder, die wegen unzureichender Qualität oder fehlender Möglichkeit zur Geolokalisierung aufgrund eines zu engen Sichtfeldes verworfen werden können (Priorität D).
Für alle aufbewahrten Bilder (siehe AP2) wurde ein detailliertes Verzeichnis der Metadaten erstellt. Diese Metadaten enthielten Informationen über das Format des Bildes (z. B. Film, Diapositiv, gedruckte Kopie, …), die Bildqualität (d. h. Auflösung, Schärfe, …), den Fotografen oder Inhaber der Urheberrechte, den ungefähren Standort und das Sichtfeld sowie den Zeitstempel der Aufnahme.
AP 2: Scannen und vorbereitende Arbeiten für die Geolokalisierung
Basierend auf der Triage von AP1, scannte AP2 die einzelnen Bilder und glich sie mit den entsprechenden Metadaten ab. Das Scannen wurde mit den Möglichkeiten der ETH-Bibliothek durchgeführt. Wie erwartet verlief das Scannen von kleinformatigen Dias (Diapositive) schnell und in guter Qualität, während die Digitalisierung älterer Abzüge und Mittelformate (z. B. Negative, Glasplatten) mehr Zeit in Anspruch nahm. Obwohl darauf geachtet wurde, die Farbqualität der Bilder zu erhalten, mussten einige Bilder in Bezug auf die Lichtverhältnisse und den Kontrast nachbearbeitet werden. Insgesamt wurden im Rahmen des Projekts etwa 34 800 Bilder gescannt, von denen 16 200 nachbearbeitet wurden.
Die gescannten Bilder wurden alle in das Bildarchiv der ETH aufgenommen, das von der ETH-Bibliothek gehostet wird. Dabei wurde jedes Bild mit einem DOI versehen und mit einer CC BY-SA 4.0-Lizenz versehen (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/), so dass der freie Zugang für jede Art der Nutzung gewährleistet ist. Gescannte Bilder mit „Priorität A“ wurden zusätzlich in Form von so genannten „Collections“ auf der Plattform sMapshot (https://smapshot.heig-vd.ch/), d.h. der Plattform zur Geolokalisierung von Bildern (vgl. AP3), freigegeben. Erleichtert wurde dieser Prozess dadurch, dass die ETH-Bibliothek selbst Zugang zu einem eigenen Zweig der Plattform hat (https://smapshot.heig-vd.ch/owner/ethz).
AP 3: Bildgeolokalisierung durch Crowdsourcing
AP3 verfolgte einen Crowdsourcing-Ansatz zur Geolokalisierung (eines Teils) der in AP2 gescannten Bilder. Die übergreifende Herausforderung bei der Extraktion von Informationen aus den Bildern bestand darin, dass die Bilder im Allgemeinen nicht mit Blick auf eine dokumentarische Verwendung aufgenommen wurden. Das bedeutet insbesondere, dass die Position, von der aus ein Foto aufgenommen wurde, und der Blickwinkel, den das Bild zeigt, nur selten erfasst wurden. Daraus folgt, dass a priori auch nicht bekannt ist, welche Orte die Bilder zeigen – ein offensichtliches Problem, wenn man sich eine quantitative Auswertung vorstellt.
Um die oben genannten Probleme zu lösen, nutzte das Projekt die sehr positiven Erfahrungen, die die ETH-Bibliothek mit der Plattform „sMapshot“ (https://smapshot.heig-vd.ch) gemacht hat – einer von der Hochschule für Wirtschaft und Technik Waadt ( HEIG-VD ) entwickelten Plattform, die es ermöglicht, die zeitaufwändigen, manuellen Georeferenzierungsarbeiten an einen aktiven Pool von Freiwilligen („the crowd“; Produit und Ingensand, 2018) auszulagern. Die Georeferenzierung basiert auf der sogenannten Monophotogrammetrie (oder Monoplotting; Bozzini et al., 2012), d. h. einem photogrammetrischen Verfahren, bei dem geografische Daten aus einzelnen, nicht-metrischen Bildern mit beliebiger Ausrichtung extrahiert werden. Grob gesagt kann Monoplotting als Gegensatz zur Stereophotogrammetrie verstanden werden: Während bei letzterer eine Reihe von überlappenden Bildern verwendet wird, um ein dreidimensionales (3D) Modell der abgebildeten Oberfläche zu berechnen, wird beim Monoplotting ein bereits vorhandenes 3D-Modell verwendet, um die Lage einzelner Punkte auf einem bestimmten Bild zu rekonstruieren. Voraussetzung dafür ist die korrekte Ausrichtung des Bildes mit dem 3D-Modell. sMapshot bietet eine Umgebung, in der diese Ausrichtung auf iterative, intuitive und interaktive Weise durchgeführt werden kann (Abbildung 2).
Die Freigabe der in AP2 gescannten Bilder erfolgte in zwei verschiedenen Kampagnen (Kampagnen „Glacier II“ und „Glacier III“ unter https://smapshot.heig-vd.ch/owner/ethz). Im Rahmen dieser Kampagnen wurden jeweils etwa 5.000 Bilder freigegeben. Am Ende des Projekts waren etwa 80 % aller freigegebenen Bilder (d. h. ~8.500 von ~10.800) erfolgreich georeferenziert, so dass eine eindeutige Rekonstruktion der Bildposition möglich war. In den meisten der verbleibenden Fälle erwies sich das relativ enge Sichtfeld als Engpass.
AP 4: Analyse des Potenzials für eine quantitative Bewertung
Die archivierten und geolokalisierten Bilder aus den Arbeitspaketen 1 bis 3 sind von großem Wert, sowohl als historische Dokumente als auch als Zeichen des Wandels, die von der breiten Öffentlichkeit leicht interpretiert werden können. Die Idee dieses Arbeitspakets war jedoch, zusätzlich das Potenzial der Bilder für die Gewinnung quantitativer Informationen über Gletscherveränderungen zu untersuchen. Um dieses Potenzial zu erkunden, wurden drei verschiedene Ansätze ausprobiert, leider mit wenig Erfolg.
Der erste Ansatz stützte sich auf das an der WSL entwickelte „Monoplotting Tool“ (MPT) (https://www.wsl.ch/fileadmin/user_upload/WSL/Services_Produkte/Software_Apps/Monoplotting/MPT_-_2.0_-_User_manual_-_E.pdf). Das Tool wurde für einen Satz von einigen Dutzend Bildern getestet, aber zufriedenstellende Ergebnisse konnten nur für einzelne Bilder erzielt werden. Der Grund dafür war die Schwierigkeit, die einzelnen Bilder innerhalb des MPT zu georeferenzieren, da diese Arbeit unabhängig von AP3 wiederholt werden musste (Abbildung 3a). Die unzureichende Qualität der Geolokalisierung wurde besonders deutlich, wenn ein im MPT digitalisierter Gletscherumriss (Abbildung 3b) auf einer topografischen Karte oder einem Orthofoto (Abbildung 3c) wiedergegeben wurde. In diesem Fall traten nämlich eindeutig fehlerhafte Projektionen auf. Diese unbefriedigenden Ergebnisse ließen uns schließlich die Idee aufgeben, das MPT für größere Bildsätze zu verwenden.
Der zweite Versuch stützte sich direkt auf sMapshot. Hier war die Absicht, Gletscherumrisse innerhalb der Plattform digitalisieren zu können, um dann die entsprechenden Koordinaten daraus zu extrahieren. Gespräche mit den Entwicklern ergaben, dass eine solche Lösung zwar prinzipiell möglich wäre, die notwendigen Entwicklungen aber im Rahmen des Projekts nicht realisierbar waren. Daher mussten wir auch diese Lösung aufgeben.
Ein letzter Versuch wurde mit “ Photgeoref“ durchgeführt, einer etwas älteren Forschungssoftware, die ursprünglich an der ETH Zürich entwickelt und in der Programmiersprache „IDL“ geschrieben wurde (Corripio, 2004). Leider verlief auch dieser Versuch erfolglos. In diesem Fall erwies sich die Notwendigkeit, die Software mit einem Viewhed (d.h. einer Karte, die das Sichtfeld vom Standort des Fotografen aus definiert) zu versorgen, als Engpass, da diese Information (i) für eine große Menge von Punkten relativ mühsam zu beschaffen ist und (ii) der Standort des Fotografen zu diesem Zeitpunkt nicht immer bekannt war.
Aus diesen Gründen musste der Plan, die archivierten Fotos quantitativ zu nutzen, zumindest während der Projektlaufzeit aufgegeben werden. Wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass die in den verschiedenen Bildern enthaltenen Informationen von Wert sind und zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich gemacht werden können.
AP 5: Verbreitung der Ergebnisse und Öffentlichkeitsarbeit
Die aktive Förderung und Verbreitung der Projektergebnisse war ein wichtiger Bestandteil des Projekts selbst. Die Rekrutierung der Freiwilligen, die für die in AP 3 durchgeführte Georeferenzierung notwendig waren, stützte sich auf eine aktive und interessierte Gemeinschaft. Zu den Aktivitäten gehörte unter anderem die aktive Teilnahme an der „Scientifica 2021“ der ETH und der Universität Zürich (https://scientifica.ch/impressionen/), einer alle zwei Jahre stattfindenden Veranstaltung zur Wissenschaftskommunikation, die am 04. und 05. September 2021 stattfand. Ein Glaziologie-Stand mit dem Titel „Sind unsere Gletscher noch zu retten?“ (https://scientifica.ch/en/ausstellungen/sind-unsere-gletscher-noch-zu-retten/) präsentierte dabei nicht nur das Projekt als solches, sondern nutzte die Gelegenheit, um über Gletscherforschung und Gletschermonitoring im Allgemeinen zu informieren.
Ein noch aktiveres Engagement fand sowohl in den sozialen Medien als auch in den herkömmlichen Medien statt, wo das Projekt große Aufmerksamkeit erregen konnte (Abbildung 4). Großes Interesse weckten in diesem Zusammenhang die Wiederholungsaufnahmen, die durch die selektive Wiederholung der vielversprechendsten Bilder aus den Arbeitsgruppen 1-3 entstanden. Diese Wiederholungsaufnahmen wurden mit Hilfe verschiedener Projektmitglieder vor Ort durchgeführt und erwiesen sich als eine bedeutende, aber lohnende Investition.
Weitere Vermittlungsaktivitäten wurden in Form von Einzelausstellungen oder Kooperationen mit Künstlern initiiert, deren Ergebnisse auch nach dem offiziellen Ende des Projekts Früchte tragen sollen (siehe auch Abschnitt 6 „Ausblick“).
Abbildung 4: Beispiele für Outreach-Aktivitäten, die durch Gletscher-Wiederholungsaufnahmen erleichtert werden. (links) Animiertes „.gif“, gepostet auf Twitter von @VAW_glaciology (https://twitter.com/VAW_glaciology/status/1540205578835861507), und (rechts) die japanische Zeitung „Chugoku_Shimbun“, die am 04.09.2022 eine ähnliche Wiederholungsfotografie aufnahm.
AP 6: Operationalisierung der Verfahren
Die Erfahrung der Projektpartner zeigt, dass von Zeit zu Zeit neu entdeckte, historische Gletscheraufnahmen verfügbar werden. Es war daher von Anfang an die Absicht des Projekts, eine Reihe von Verfahren zu entwickeln, mit denen solche neu auftauchenden Bilder aufgegriffen und langfristig bewahrt werden können.
In dieser Hinsicht hat sich der durch die Abfolge der Arbeitsgruppen 1 bis 3 vorgegebene Arbeitsablauf (d. h. Triagierung, Scannen und Aufbereitung von Metadaten, Import in das ETH-Bildarchiv und stapelweise Georeferenzierung) bewährt, und es ist beabsichtigt, ähnliche Aktivitäten im Rahmen der Initiative Glacier Monitoring Switzerland (GLAMOS) fortzusetzen. Ein entsprechender Vorschlag wurde im Rahmen der neuen GLAMOS-Finanzierungsperiode, die von 2024 bis 2027 laufen soll, unterbreitet. Dabei wurde der Schwerpunkt auf das Element der Wiederholungsaufnahmen gelegt, da es sich als das wertvollste Element erwiesen hat, sowohl was die gewonnenen Informationen als auch das Kommunikationspotenzial betrifft.
3. Ergebnisse
Das Hauptergebnis des Projekts ist der umfangreiche Satz von Bildern, der im Bildarchiv der ETH dauerhaft archiviert wurde. Dieser Satz von fast 35’000 Gletscherbildern ist wahrscheinlich einzigartig, vor allem was den Reichtum an Metadaten betrifft (für einen Eindruck siehe Abbildung 5). In der Tat ist uns keine ähnliche Sammlung bekannt, die irgendwo anders existiert.
Einen ähnlichen Wert messen wir der Anzahl der Wiederholungsfotos bei, die im Rahmen des Projekts erworben wurden (eine Auswahl ist in Abbildung 6 dargestellt) – ein Eindruck, den wir sowohl durch die sehr positiven Rückmeldungen als auch durch die Anzahl der Anfragen zu diesen Fotos gewonnen haben.
4. Schlussfolgerung und Einschränkungen
Mit dem Projekt sollte sichergestellt werden, dass eine unschätzbare Informationsquelle wie die historischen Gletscherfotos langfristig erhalten bleiben kann. Dieses Ziel wurde für einen Satz von fast 35.000 Bildern aus verschiedenen Quellen erreicht, was wir als Erfolg werten.
Als besonders wertvoll erwies sich die Wiederholung einer ausgewählten Reihe dieser Bilder mit zeitgenössischen Gegenstücken. Die entstehenden Wiederholungsfotos veranschaulichen in der Tat eindrucksvoll das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der sich ein sensibler Teil unserer Umwelt als Reaktion auf den Klimawandel weiterentwickelt. Solche Visualisierungen haben sich nicht nur im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation bewährt, sondern auch bei der umfassenderen Verbreitung von klimabezogenen Informationen in der breiten Öffentlichkeit.
Die meisten der ursprünglich im Projekt vorgesehenen Aktivitäten konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Dazu gehört insbesondere auch die Absicht, die einzelnen Fotografien mit Hilfe von Crowdsourcing zu georeferenzieren, ein Ansatz, der von der Gruppe Glaziologie der ETH/WSL bisher nicht versucht wurde. In dieser Hinsicht hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern (insbesondere ETH-Bibliothek und HEIG-VD) als sehr fruchtbar erwiesen.
Die wichtigsten Einschränkungen betreffen (1) den Versuch, die archivierten Bilder quantitativ zu nutzen, (2) den Umfang des verfügbaren Bildmaterials und (3) die Schwierigkeit, einen vollständigen Satz von Metadaten für alle Bilder zu erhalten.
Die in Bezug auf Punkt „(1)“ aufgetretenen Schwierigkeiten wurden unter „AP 4“ in Abschnitt 2 erörtert und werden daher hier nicht wiederholt. In Bezug auf Punkt „(2)“ sind wir zuversichtlich, dass die im Laufe des Projekts gesammelten Erfahrungen und die geplante Fortsetzung der Aktivitäten in einem längerfristigen Rahmen (siehe Anmerkungen unter „AP 6“) zumindest mittelfristig die Verarbeitung aller verbleibenden Bilder mit glaziologischem Wert ermöglichen werden. Zu Punkt „(3)“ ist schliesslich anzumerken, dass gewisse Einschränkungen praktisch nicht zu überwinden sind. Wenn ein Bild nicht datiert ist oder der Autor des Bildes unbekannt ist, ist der Aufwand zur Rekonstruktion dieser Informationen oft unverhältnismäßig groß. Ähnlich verhält es sich mit der Möglichkeit, den Aufnahmeort eines Bildes zu rekonstruieren: Ist das Sichtfeld zu eng, d. h. weist der Bildhintergrund keine ausreichend ausgeprägten topografischen Merkmale auf, die eine Erkennung der Umgebung ermöglichen, wird eine Geolokalisierung des Bildes praktisch unmöglich. In solchen Fällen haben wir bisher oft einen unvollständigen Satz von Metadaten einem vollständigen Informationsverlust vorgezogen, aber diese Strategie kann in Frage gestellt werden, insbesondere wenn die Aktivität in Zukunft regelmäßig fortgesetzt werden soll.
5. Aufklärungsarbeit, Veröffentlichung von Daten und Ergebnissen
Die Öffentlichkeitsarbeit war ein wesentlicher Bestandteil der Projektaktivitäten (siehe auch „AP 5“ in Abschnitt 2). Dieses Engagement umfasste die häufige Kommunikation über die Twitter-Accounts @VAW_glaciology und @ETHBildarchiv, die Verbreitung von Projektergebnissen (insbesondere der Wiederholungsfotos) über die Medien, die Präsenz bei Veranstaltungen zur Wissenschaftsvermittlung wie der „Scientifica“ der ETH und der Universität Zürich (https://scientifica.ch/en/ausstellungen/sind-unsere-gletscher-noch-zu-retten/) oder die Zusammenarbeit mit Künstlern und Museen (siehe auch Abschnitt 6).
Was das Medieninteresse betrifft, so erreichten die Aktivitäten im Sommer und Herbst 2022 ihren Höhepunkt, als die ersten Wiederholungsbilder des Projekts verfügbar wurden und als klar wurde, dass das Jahr 2022 in Bezug auf den Gletscherschwund in der Schweiz das schlimmste in den Aufzeichnungen sein würde (das hydrologische Jahr endete mit einem noch nie dagewesenen Gletschervolumenverlust von ~6%; SCNAT, 2022). Die entsprechenden Bilder wurden von zahlreichen nationalen und internationalen Medien verwendet, und noch immer erreichen das Projektteam regelmässig Anfragen.
Im Bereich der Publikationen konzentrierte sich das Projekt auf eine systematische und offene Veröffentlichung der inventarisierten Bilder. Dies geschah über das ETH-Bildarchiv „E-Pics Bildarchiv“ (https://ba.e-pics.ethz.ch) und durch die Verwendung einer CC BY-SA 4.0 Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/). Eine begutachtete Publikation zum Thema war nicht vorgesehen, und die Möglichkeit wurde angesichts der Schwierigkeiten bei der Extraktion quantitativer Informationen aus den Bildern wieder verworfen (vgl. „AP 4“ in Abschnitt 2 und Abschnitt 4).
6. Ausblick
Da der Klimawandel zu einem weiteren Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen führt, ist ein weiterer Gletscherrückgang unvermeidlich. Das Interesse, solche Veränderungen zu dokumentieren und zu visualisieren, wird daher weiterhin dringlich bleiben. Aus diesem Grund werden die mit diesem Projekt begonnenen Aktivitäten – insbesondere die ausgewählten, wiederholten Aufnahmen einzelner Gletscher – auch nach dem Ende des Projekts fortgesetzt. Dies geschieht insbesondere durch die vorgeschlagene Verankerung des Elements „wiederholte Gletscherfotografie“ in den GLAMOS-Aktivitäten für den Zeitraum 2024-2027.
Eine ähnliche Fortsetzung ist für eine Reihe von bereits begonnenen Outreach-Aktivitäten zu erwarten. Dazu gehören unter anderem eine Zusammenarbeit mit dem Musée Historique Lausanne, die zu einer Ausstellung im Jahr 2024 führen soll. Eine weitere Ausstellung zum Thema Klimawandel mit „Defogging“ ist für den Sommer 2025 im neuen Ausstellungsraum der Sammlungen und Archive der ETH Zürich, „extract“ (https://extract.ethz.ch/en/exhibition.html), geplant oder die Teilnahme an der nächsten „Scientifica“, die gemeinsam von der ETH Zürich und der Universität Zürich vom 28. August bis 03. September 2023 organisiert wird. Wir sind zuversichtlich, dass solche Aktivitäten die Sichtbarkeit und den Wert eines bereits sehr erfolgreichen Projekts weiter erhöhen werden.
7. Danksagung
Wir möchten uns bei GCOS Schweiz für die Finanzierung dieses Projekts bedanken. Die Unterstützung hat uns geholfen, ein Projekt zu realisieren, das in der glaziologischen Gemeinschaft und darüber hinaus auf grosses Interesse gestossen ist. Ein besonderer Dank geht an das Team der ETH-Bibliothek, insbesondere an Caroline Ingold, Gina Meili, Barbara Giezendanner, Julia Hintermüller und Flurina Huonder. Ein ähnlicher Dank geht an die beteiligten Personen aus der Gruppe Glaziologie der ETH/WSL, namentlich Guillem Carcanade, Leo Hösli, Lilian Turpin, Barthelemy Anhorn, Julien Cuzzocrea, Pia Neuburger, Kaja von Rotz und andere. Schliesslich möchten wir dem sMapshot-Team von HEIG-VD danken, ohne dessen Hilfe das Projekt nicht hätte realisiert werden können.
8. Referenzen
Bozzini, C.; M. Conedera, und P. Krebs (2012). Ein neues Monoplotting-Tool zur Extraktion georeferenzierter Vektordaten und orthorektifizierter Rasterdaten aus schrägen, nicht-metrischen Fotos. International Journal of Heritage in the Digital Era, 1(3), 500-518. doi: 10.1260/2047-4970.1.3.499
Corripio, J.G. (2004). Snow surface albedo estimation using terrestrial photography. Internationale Zeitschrift für Fernerkundung 25(24), 5705-5729.
Produit, T.; Ingensand, J. (2018): 3-D-Georeferenzierung von historischen Fotos durch Freiwillige. In: Mansourian A., Pilesjö P., Harrie L., van Lammeren R. (eds.): Geospatial Technologies for All. AGILE 2018. Lecture Notes in Geoinformation and Cartography. Cham: Springer, S. 113-128.
SCNAT, Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (2022). Schlimmer als 2003: Schweizer Gletscher schmelzen so stark wie noch nie. Medienmitteilung vom 28.09.2023. Abrufbar unter https://scnat.ch/en/uuid/i/2e076759-0234-567e-9bfb-2cdfebd6ff34-Worse_than_2003_Swiss_glaciers_are_melting_more_than_ever_before.
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Die aktuelle sMapshot-Kampagne läuft seit 13. März 2023! Mehr Informationen dazu siehe auch Blogpost.
Vollständige Bildinformationen
Unbekannt: Rhône, 04.09.1928 (Hs_1458-GK-B001-1928-0018, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001373004) und auf sMapshot: https://smapshot.heig-vd.ch/contribute/266031
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