Die Chémerie

Lesezeit: 4 Min.

Chémerie? Ja, was könnte das bloss sein? Das Wort kommt aus einer Bilderserie, die aus einem Album der Familie Dunant stammt. Sie ist unter dem Suchstring Ans_15002 in unserem Archiv zu finden.

Es handelt sich dabei um 102 klassische Ferienföteli aus den frühen 1930er-Jahren. Ein grosser Teil davon wurde im Val Ferret im Wallis aufgenommen. Sie sind relativ gut beschrieben und leicht zu verorten. Aber dann, dann kommen die Bilder mit der rätselhaften Chémerie und schon wird es richtig schwierig und damit auch aufregend.

Also, raus mit dem Dictionnaire! Was steht da zum Begriff Chémerie? Der Online-Larousse gibt dazu folgende Lösung aus:

crémerie
chômeriez
charmeriez
chaumeriez
chimère
chômerai
chômerez
chamarriez
chineriez
éphéméride

Davon ausgehend, dass Larousse besser Französisch spricht als ich, was ohne jeden Zweifel wahr ist, ergibt diese Lösung keine Lösung, sondern nur neue Fragen. Wenn es nicht Chémerie heisst, wie lautet das Wort dann? Chémery, vielleicht? Orte, die diesen Namen tragen, gibt es in Frankreich einige. Ich frage das geographische Orakel für Frankreich, das Géoportail. Die wissen schlicht alles über Frankreich und bieten eine äusserst brauchbare Website, die ich bei Recherchen über Frankreich schon fast reflexartig einsetze.

Also grase ich die Chémery-Erwähnungen im Géoportail einzeln ab. Nach einer Stunde muss ich mir eingestehen, dass ich da wieder einmal in einer Sackgasse gelandet bin. Verflixt!

Da es schon ein bisschen spät ist und die Sonne schon ihr erstes Licht im Osten präsentiert, beschliesse ich, die Sache zu überschlafen. Das tönt jetzt ein bisschen dünn, aber viele Jahre in diesem Hobby haben mich gelehrt, dass der Schlaf oft ganz ungewöhnliche Resultate bringt.

Am nächsten Morgen, ok, ziemlich nahe am Mittag, kommt dann die Erleuchtung. Der gesuchte Ort heisst nicht Chémerie, er heisst Chèvrerie. In Druckbuchstaben scheint dieser Fehler fast unmöglich, aber wenn man sich das Wort handschriftlich vorstellt, ist die Idee nicht so abwegig. Zu diesem Zeitpunkt ist das natürlich auch nur eine neue Arbeitshypothese aber immerhin. Das Géoportail muss wieder herhalten. Zu diesem Begriff gibt es natürlich einige Treffer. Aber auch hier bleibt der Erfolg nach Stunden des Suchens aus. Es gibt einfach zu viele von diesen ehemaligen Ziegenhöfen.

Und jetzt?

Schlafen, natürlich. Das habe ich weiter oben ja schon erklärt.

Ein Bild ist kein Bild, also schaue ich mir am nächsten Morgen ein paar weitere Exemplare genauer an. Dabei fällt mir dieses Bild auf:

Unbekannt: Chémerie, 1931 (Ans_15002-063-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001262116)

Es zeigt die „Chémerie“ und ein paar Kinder im sommerlichen Gras. Was aber wichtiger scheint, sind die Felswände im Hintergrund. Die sind doch ziemlich mächtig. Die müsste man im WWW irgendwo finden können.

Also, Google: „Falaise France Jura“. Wie gewöhnlich gibt Google eine wilde Sammlung von Kalkfelsen aus, die aber auch nicht zum Ziel führen. Nächster Versuch: „Falaise Jura Escalade“. Eine solche Masse an fast vertikalem Kalk muss schliesslich Kletternde anziehen, oder? In der Bildersuche finde ich wieder nichts von Belang, also schaue ich mir die passenden Websites an. Unter vielen anderen Begriffen stosse ich immer wieder auf „Bugey„. Das sagt mir jetzt gar nichts, also muss ich Wikipedia fragen. In der französischen Ausgabe gibt es einen ausführlichen Artikel zum Stichwort. Brav, wie ich von Natur aus bin, lese ich das alles durch, ohne dass ich dabei viel dazulerne. Schon will ich den Artikel schliessen, da fällt mir dieses Bild auf, das die Region illustrieren soll.

Süssbrich, Rolf: Grand Colombier, Ain, France, vu du sud ouest. Village au premier plan : Vongnes, 2007 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grand_Colombier,_Ain,_France.jpg)

Da, ganz rechts! Oder nicht? Oder doch! Das entspricht doch genau der Situation im zweiten Bild. Grand Colombier heisst der Berg. Jetzt ist es nicht mehr so schwierig. 15 Minuten auf dem Géoportail und auf Google Street View, dann ist es klar, ich habe die Chèvrerie gefunden. Sie liegt bis heute über der Kleinstadt Culoz im Département Ain. Die Koordinaten sind: 45.853813° N, 5.776876° E.

Mit dieser Erkenntnis finden sich auch weitere Bilder, die vorher nicht zu verorten waren. Ein voller Erfolg, den ich gern mit Koni Kreis teile, der mich auf das Problem aufmerksam gemacht hat und mit dem ich Zwischenergebnisse und Hypothesen austauschen durfte. Kooperation bringt Resultate!

Natürlich will ich dann aber noch mehr wissen und erfahre, dass das Gut wirklich mal Henry Dunant gehörte. Er liess sich 1859 in Culoz einbürgern und erbte das Haus, das sein Grossvater, Bernard Dunant, 1793 gekauft hatte. Unsere Bilder scheinen darauf hinzudeuten, dass das Landgut auch 1931 noch der Familie Dunant gehörte.

Alle Angaben zur Biographie stammen aus: https://www.bugeysud-tourisme.fr/a-faire-sur-place/visiter/les-personnages-celebres-du-bugey/henri-dunant/

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Vollständige Bildinformationen

Unbekannt: Chémerie, 1931 (Ans_15002-054-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001262091)

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DOI Link: https://doi.org/10.35016/ethz-cs-27668-de

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