Inwil am 18. August 1953 (2/3)

Lesezeit: 6 Min.
Vorn das kleine von Büren-Hüsli, ennet der Strasse der Pannerhof

Gewisse Dinge haben Bestand, selbst wenn das niemand erwarten würde. Dazu gehört das kleine, unscheinbare Häuschen gegenüber dem Pannerhof. Über seine Geschichte weiss man fast nichts, nur, dass es seit Menschengedenken zum Pannerhof gehört. In meiner Jugend nannten wir es das von Büren-Hüsli, weil der Schneidermeister von Büren dort Herrenkleider anfertigte. Ich erinnere mich noch an ihn, wie der kleine Mann im Schneidersitz auf dem Tisch sass und von Hand mit Nadel und Garn an einem Anzug nähte. Später wohnte jahrzehntelang die Familie Josef Schmidiger dort, weshalb man es das Schmidiger-Hüsli nannte. Jetzt wird es wohl wieder anders genannt werden. Im hohen Keller war vermutlich im 19. Jahrhundert die Käserei des Pannerhofes untergebracht.

Dass das Häuschen die mehrfachen Strassenverbreiterungen und Trottoirbauten überlebte, zeugt von Ingenieurskunst und noch mehr aber von der Beharrlichkeit der Eigentümerschaft, sich nicht vertreiben zu lassen. Als Konzession wurde das Dach auf den Aussenseiten um etwa einen halben Meter angehoben, in dem man die Dachschräge verminderte. Im Giebel blieb das Haus gleich hoch und wer es nicht weiss, wird es nicht merken.

Auf der andern Strassenseite steht die mächtige Scheune des Pannerhofes. Sie prägt das Dorfbild als Bauerndorf. Noch wird der Hof bewirtschaftet und der Karrer bringt die Milch morgens und abends mit Ross und Wagen zur Käserei am Dorfende, nicht ohne hie und da so richtig mit der Peitsche zu knallen. Also mir machte das immer grossen Eindruck, wenn das Ross auf der Heimfahrt galoppierte und die leeren Milchkannen so richtig schepperten – nein nicht zur Freude der Anwohnerschaft.

Die Südseite der Kirche vor der Strassenverbreiterung

Die Kirche steht, wie noch heute, mitten im Dorf. Allerdings hat sich auch hier rundherum viel verändert. Auf der Südseite der Kirche sind noch die Kindergräber zu sehen, die der späteren Strassenverbreiterung geopfert wurden. Die Plattengräber entlang der Kirche wurden bei der grossen Renovation in den 80-er Jahren aufgehoben. Gut zu sehen ist der schwarze Stein an der Kirchenmauer vom Grab meines Grossvaters Heinrich, † 1934

Der Friedhof mit dem grossen Steinkreuz

Auf der Nordseite ist das grosse weisse Pfarrhaus zu sehen, das ursprünglich als Holzhaus im Stil eines Bauernhauses gebaut wurde und später, dem Zeitgeist folgend, eine weiss verputzte Fassade erhielt, was aber dem Holz dahinter nicht gut bekam. Westlich davon befindet sich der Pfarrgarten und der Schopf, der ursprünglich zur Unterbringung von Ross und Wagen diente. Zur Zeit der Aufnahme hielt dort die Pfarrköchin eine grosse Anzahl von Burgunderkaninchen, denn der Herr Pfarrer, Martin Stadelmann, hatte es mit der Galle und vertrug kein fettes Fleisch. Vielleicht war dies auch die Ursache für seinen bekannten Jähzorn.

Der Friedhof wird vom grossen Granitkreuz dominiert, das zusätzlich noch auf einem hohen Sockel steht. Heute steht es ohne den Sockel inmitten der Urnengräber. Bei den Grabsteinen herrscht weisser Marmor vor. Steine von aufgehobenen Gräbern erhalten oft im Dorfbach als Uferbefestigung eine neue Aufgabe.

Gemüsegärten auf der Südseite der Häuser und die Kegelbahn der „Sonne“
Die Schmitte und das Bauernhaus „Ziegler“ Ineichen

Das helle Haus ist die Schmiede der Familie Vinzenz Peter. Im Parterregeschoss befindet sich die Werkstatt mit Amboss, Esse und zahllosen Werkzeugen und Hufeisen. Das massive Kamin auf dem Dach verrät, dass unteren Ende nicht nur ein Öfeli im Betrieb war. Im Anbau auf der Ostseite werden die Pferde beschlagen, früher auch Ochsen und Stiere. Das Strässchen auf der rechten Seite war der historische Kirch- und Schulweg der Höfe im Schachen. In den beiden oberen Geschossen lebte die Familie Peter und ihre Angestellten.

Links steht das Bauernhaus der „Ziegler“ Ineichen. Das Gebäude mit den Charakteristischen Klebedächer an der Südseite war damals rund 200 Jahre alt. Es war eines der schönsten Häuser gewesen, doch befand sich leider die schöne Seite mit den drei charakteristischen Klebedächern auf der Südseite. Zur Strasse hin lag die schmucklose Küchenseite. Denn wie jedes Bauernhaus hatte es eine schöne und eine weniger schöne Seite. Ursprünglich war es sogar ein Rauchhaus, wo der Rauch von der offenen Küche ohne Kamin zum Dach hinausgeleitet wurde. Solche Rauchhäuser sind nur noch im Freilichtmuseum „Ballenberg“ zu bestaunen.

Ein paar Jahre später liess der Besitzer und Junggeselle Burkard Ineichen das Haus abreissen und stellte, im Geist der damaligen Zeit entsprechend, einen Bungalow mit Pool auf. Immerhin liess der den alten Sodbrunnen restaurieren, der beim Abbruch des Hauses wiederentdeckt worden war. Aber auch dieser ist inzwischen wieder überbaut.

Das alte Schulhaus, die Bäckerei Hüsler und die Weinhandlung

Am linken Bildrand steht das erste Inwiler Schulhaus von 1833. Es war damals ganz im Stil eines Bauernhauses erstellt worden. Auf der Seite gegen die Strasse sieht man drei Gerüststangen. Kurz zuvor war nämlich an einem Sonntagnachmittag eines der kleinen Klebdächer altershalber und ohne Fremdeinwirkung, aber mit Getöse, in den Vorgarten am Strassenrand gestürzt. Auf der Südseite der Strasse steht die Bäckerei Hüsler mit dem Holzschopf, in welchem meine Grossvater seinerzeit Ross und Wagen untergebracht hatte. Im Anbau des Schopfs befand sich ein kleiner, gemauerter Schweinestall, gross genug für zwei Mastsauen, die sich mehrheitlich von den Abfällen der Bäckerei und der Haushalte ernährten. 1952 wurde die Schweine verkauft, da das Risiko der Maul- und Klauenseuche und die damit verbundene Quarantäne zu gross wurde. Die grosse Holzbeige am Garten war der Vorrat für den Holzbackofen.

Weiter links steht beim Schopf an der Ziegeleieinfahrt im Rasen eine Zapfsäule für Dieselfahrzeuge. Da nicht immer sorgfältig getankt wurde, wuchs das Gras neben der Säule nicht besonders grün. Das ärgerte mich, den wir nahmen von diesem Mätteli auch das Gras für unsere Kaninchen.

Auf der andern Strassenseite befindet sich am Bach das Magazin mit dem Keller der ehemaligen Weinhandlung Mattmann. Mein Vater hatte dieses Gebäude viele Jahre gemietet und lagerte dort die Mehl- und Futtergetreidevorräte. Es war ein toller Spielplatz für verregnete Sonntagnachmittage.

Im Wohnhaus der Weinhandlung war bis wenige Jahre zuvor im Parterre der Coiffeursalon der Frau Theres Schüpfer. Im ersten Stock wohnte die Familie Röösli und zuoberst der „Gärtner“-Seppi mit Frau und den beiden Töchtern. Insgesamt wohnten 18 Personen im kleinen Haus.

Fortsetzung folgt nächsten Freitag.

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Vollständige Bildinformationen

Friedli, Werner: Inwil (LU), Ziegelei, 18.08.1953 (LBS_H1-015543, http://doi.org/10.3932/ethz-a-000357593) oder auf sMapshot: https://smapshot.heig-vd.ch/contribute/23474

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DOI Link: https://doi.org/10.35016/ethz-cs-13086-de

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