„Zurückgeholt in die Gegenwart“

Lesezeit: 4 Min.

So benannt Erika Bünzli aus Kriens ihr in zweijähriger Arbeit transkribiertes Büchlein. Das Original ist ein Handgeschriebenes und mit Zeichnungen versehenes Einzelexemplar, welches Anfang des 20. Jahrhundert entstanden ist.

Das Originalbüchlein (Foto: Walter Zweifel)

Das Büchlein ruhte jahrelang im Büchergestell eines Ärzte-Ehepaar, bis es bei einer Hausräumung entdeckt wurde. Erst beim Öffnen offenbart sich, welches Bijous hier gefunden wurde. Es ist ein mit schöner Handschrift geschriebenes und mit filigranen Zeichnungen versehenes Büchlein mit dem Titel „Bergtouren von 1902-1907“.

Originalbüchlein, Deckel aufgeklappt (Foto: Walter Zweifel)

Es sind Aufzeichnungen von Bergtouren der Schwestern Nelly und Gustel, hauptsächlich im Gebiet Tödi und Glarner Hinterland, eine dritte Schwester, Lilly, ging gelegentlich auf einfachere Touren mit. Nelly und Gustel bestiegen sogar den Tödi, das erste mal im Juli 1902.

Auf den Tödi Juli 1902. Bild aus dem Transkribierten Büchlein (Foto: Walter Zweifel)

Das ging natürlich nicht ohne Bergführer und einer war ein Heinrich Schiesser, Linthal, Grossvater meines Schwagers.

Von diesem Bergführer sind mehrere Alben vorhanden die ihn, sein Wirken und seine Gäste zeigen. Ein Album ist wegen Anderem (Gletscherbilder) seit letzten Herbst (2022) im Besitz des Bildarchivs der ETH Zürich und ist mit dem Bildcode-String Ans_15809 auf E-Pics Bildarchiv zugänglich.

So weit so gut, von der Transkription hatten mein Schwager und ich bis ein Bericht am 18. März 2023 in der Südostschweiz erschien keine Kenntnis. Zum Artikel (nur mit Abo).

Per E-Mail wurde das Transkribierte Büchlein bei Erika Bünzli bestellt und zugleich ein Bild aus dem genannten Album mit Bergführer Heinrich Schiesser und einer Bergsteigerin auf dem Ortstock, mit gesandt.

Heinrich Schiesser mit einer Bergsteigerin auf dem Ortstock.
Unbekannt: Ortstockgipfel, 1898 (Ans_15809-031-AL, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001559685)

Wir haben dann die 85-jährige Erika Bünzli und ihre Familie, die das Büchlein selber gelayoutet und im Selbstverlag drucken liessen, kennen gelernt. Sie erhielt auch die digitalisierten Bilder des zuvor erwähnten Album und erkannte sofort das mindestens ein Bild aus dem Album und dem Büchlein (fast) identisch sind.

Zeichnung im Originalbüchlein fast identisch mit Ans_15809-147-AL (http://doi.org/10.3932/ethz-a-001559811)
(Foto: Walter Zweifel)

Die grosse Frage blieb, wer waren die (angeblichen) Schwestern Pfeiffer aus Mollis?

Das Rätsel löste sich erst als der Schreibende nach mehreren Besuchen im Landesarchiv Glarus und Ortsarchiv Mollis, ein Buch über Mollis in die Hände erhielt, es war Nelly Zwicky, Dichterin und Schriftstellerin.

Nelly Zwicky in Bergsteigerinnen Montur (Foto: Walter Zweifel. aus Privatalbum von Jakob Schiesser)
  • Margarethe Fanny Augusta Zwicky, genannt Gustel 1864-1920
  • Rosalia Lydia Zwicky, genannt Lilly, 1866-1936 und
  • Charlotte Cornelia Nelly Zwicky, genannt Nelly, 1872-1946 waren Töchter von Pfarrer und Schriftsteller Kaspar Lebrecht Zwicky, Mollis.
Schwestern Zwicky: Die Schwestern Zwicky auf einer Wanderung im Gebiet Mollis. V.l.n.r: Gustel, Lilly und Nelly Zwicky. Bild Hansruedi Gallati, Mollis) (Foto: Walter Zweifel, aus Privatarchiv von Hansruedi Gallati, Mollis)

Nelly und Gustel gingen oft mit einem Vetter Traugott Schobinger, Fotograf, auf Bergtouren, und von wem sind wohl einige Bilder im Album, richtig von Traugott Schobinger. Dessen Bruder, Apotheker aus St. Gallen, war der Grossvater von Magdalena Dolder, der Frau des Ärzte-Ehepaar, wo das Originalbüchlein im Büchergestell ruhte.

Das Album ist übrigens von einer Frau Conrad-Jenny, gewidmet dem treuen Führer und gutem Freund Heinrich Schiesser, wer diese Frau war ist (noch) nicht bekannt.

Gustel, Nelly, Schiesser: Gustel und Nelly Zwicky mit Bergführer Heinrich Schiesser bei der Fridolinshütte (Foto: Walter Zweifel, Privatarchiv)

Das Büchlein „Zurückgeholt in die Gegenwart“ ist diesen Oktober im Alpinmuseum Braunwald vorgestellt worden.

Südostschweiz Glarus vom 3. November 2023, Text: Zweifel, Walter

Das Original ist jetzt zurück in Mollis, wo es Marianne Nef, Leiterin des Ortsmuseum Mollis, vom „Finder“ Thomas Regez entgegen nehmen durfte.

Wie das Büchlein überhaupt zu Erika Bünzli kam, kann hier nachgelesen werden.

Thomas Regez übergibt das Büchlein Marianne Nef, Leiterin des Ortsmuseum Mollis (Foto Walter Zweifel)

Vollständige Bildinformationen

Titelseite Transkribiertes Büchlein (Foto: Walter Zweifel)

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DOI Link: https://doi.org/10.35016/ethz-cs-26891-de

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